Probleme in Borderlinebeziehungen

Probleme in Borderline-Beziehungen
Probleme in Borderline-Beziehungen

Man liest viel von Angehörigen, dass Borderliner nicht nur unerklärlich bis unfassbar, sondern auch „gezielt manipulierend“, und damit grob, herzlos, „eiskalt“, auf jeden Fall egoistisch beeinflussend bis täuschend handeln. Es ist jedoch definitiv nicht so, dass Borderliner die Vernichtung ihrer Partner als erklärtes, bewusstes Ziel haben. Im Gegenteil, sie sehnen sich wie jeder Mensch nach Liebe und Zuneigung. Wenn also beide Seiten die selben Wünsche haben, warum klappt es nicht? Warum gibt es immer wieder Probleme in Borderlinebeziehungen?

An erster Stelle steht die fehlende Kontrolle der Gemütsregungen, oder das, was Experten affektive Instabilität nennen. Die Reizschwelle Ereignisse, die Emotionen hervorrufen, ist niedrig, das Erregungsniveau ausgesprochen hoch. Nur verzögert erreichen sie wieder das emotionale Ausgangsniveau“ (nach M. Bohus u. C. Schmahl).

Auf gut Deutsch bedeutet das: „Borderliner gehen schnell hoch, und das aus, zumindest für Angehörige, offensichtlich nichtigem Anlass. Auf hohem emotionalem Level kommen sie nur schwer wieder auf den Boden zurück.“ In der Fachsprache nennt man das „schwere episodische Dysphorie“ und beschreibt eine Kombination aus Angst, Deprimiertheit, leichter Erregbarkeit, und Wut oder Hass, sowohl auf andere oder/auch sich selbst gegenüber. Dieser Zustand dauert in der Regel einige Stunden, selten länger als einige Tage.

Neben diesen eher explosionsartig impulsiven Regungen gibt es auch eine dysphorische Grundstimmung, also eine zumindest langwierige bis Dauer-Verstimmung, die sich ebenfalls zu allseits belastenden Perioden von Wut, Angst oder Verzweiflung aufschaukeln, bisweilen (leider nur selten) aber durch Phasen gehobener Stimmung, von Wohlbefinden oder Zufriedenheit abgelöst werden können.

Das vermutlich auffälligste Verhaltensmuster im zwischenmenschlichen Bereich ist die Nähe- Distanzproblematik. Dieses typische Borderline-Phänomen führt zu einer intensiven Angst vor dem Alleinsein (obgleich sie es selber sind, die befriedigende und insbesondere langfristige Kontakte auf Dauer unmöglich machen) und damit zur ständigen Auslösung von Beziehungsstörungen im zwischenmenschlichen Bereich.

Dabei bemühen sich Borderliner geradezu verzweifelt tatsächliches oder erwartetes Verlassenwerden zu vermeiden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie häufig vorübergehende Abwesenheit mit offenkundiger Verlassenheit verwechseln. Eine Trennung oder der Verlust gewohnter zwischenmenschlicher Beziehungen bedroht sie mit einer grundlegenden Veränderung ihres Selbstbildes (was bin ich), der Affekte (Gemütsregungen), des Denkens und gesamten Verhaltens.

Das Verlassenwerden wird dabei häufig/meist zur „selbst erfüllenden Prophezeiung“, nämlich dann, wenn der Partner diese furcht-gesteuerte Spannung nicht mehr aushalten, von Frustrationen, Demütigungen, Kränkungen oder regelrechten Attacken durch Borderline-Betroffene ganz zu schweigen. Deshalb versuchen Borderliner wichtige Bezugspersonen dauerhaft an sich zu binden, können aber auch die dann drohende Nähe, ja Geborgenheit nur mit zwiespältigen Empfindungen ertragen. Auch das löst bei Ihnen Angst oder Scham aus.

Das geht u. a. darauf zurück, dass dieses „Verlassen-Werden“ für sie bedeutet, „unwert“ oder gar „böse“ zu sein. Das haben Borderliner in frühster Kindheit gelernt und können es nicht ertragen.

Diese borderline-typische Über-Sensibilität (krankhaft ausgeprägte Empfindlichkeit) bzw. Über-Ängstlichkeit vor dem Verlassenwerden äußert sich nicht nur in den erwähnten Reaktionen, sie kann sich bis zu unangemessener Wut steigern und damit „alles zertrümmern“, selbst wenn es dafür keinen Nachvollziehbaren Grund gibt.

Diese unterschiedlichen, für Außenstehende kaum verstehbar und in Einklang zu bringenden Gefühle werden aber von Borderlinern oft gar nicht konkret wahrgenommen, sondern meist als äußerst quälende, diffuse, Spannungszustände erlebt, die „einfach kommen und gehen“, ohne dass man darauf einen nachhaltigen Einfluss ausüben kann.

Die Folge sind intenisve, instabile Beziehungen mit häufigen Trennungen und Wiederannäherungen. Eine häufige Ursache solcher „emotionaler Achterbahnfahrten“ ist die ausgeprägte heftige Impulsivität, die Borderlinern zu Eigen ist, von ihnen jedoch nicht verarbeitet werden kann. Deshalb können sie auch nicht „aus Erfahrung klug werden“, wie man ihnen gerne und oft genug vorwirft. Borderline verschwindet nicht wenn sich die Betroffenen nur intensiv genug bemühen.

So sind Beziehungen, wie erwähnt, (über-)intensiv und instabil. Borderliner neigen dazu, mögliche Bezugspersonen, vom Partner bis zum guten Bekannten, schon sehr früh zu idealisieren. Eine solche Verklärung ist aber für den anderen nicht unbedingt einfach und schon gar kein Vorteil. Im Gegenteil kostet die Beziehung schon zu Beginn viel Zeit und Kraft, was jedoch in der Symbiose gerne als wunderschön empfunden wird. Diese Idealisierung kann auch plötzlich kippen. Aus der  Idealisierung wird Abwertung, wenn der Borderliner meint, der andere sei nicht genügend für ihn da, gebe nicht genug, würde sich nicht ausreichend um ihn kümmern, vielleicht gar verlassen wollen, ein in den Augen des Borderliners geradezu „feindseiliges“ Verhalten.

Zum Beginn einer Beziehung erleben Angehörige Borderliner durchaus einfühlsam und fürsorglich, jedoch nur in der Erwartung, dass der andere ihnen dann auch zur Erfüllung ihrer Wünsche und Bedürfnisse zur Verfügung steht – und zwar dauerhaft. Hier wird dann auch deutlich, warum Borderliner häufig so unangemessen heftig reagieren, Schwierigkeiten haben, ihre Wutanfälle zu kontrollieren und warum sie zu verbalen Attacken und extremen Sarkasmus neigen. Denn diese Wut bricht dann aus, wenn eine Bezugsperson oder gar ein Partner als vernachlässigend, verweigernd, oder gar als zurückweisend erlebt wird – erlebt, wohlgemerkt, nicht wirklich vom Partner angestrebt oder gar praktiziert.

Grund ist eine komplizierte innerseelische Störung die durch die Borderline-Erkrankung ausgelöst wird (Fachausdruck: „frühe Störung“, d. h. schon in den ersten Lebensmonaten belastend). Dabei bleiben „gute“ und „böse“ Aspekte zwischen der eigenen Person und den Beziehungspersonen gleichsam unverbunden nebeneinander bestehen. Der Borderliner erlebt sich ständig schwankend zwischen gut und böse und spaltet auch seine zwischenmenschlichen Beziehungen in gute und böse auf, ohne zu brauchbaren Integrationslösungen zu kommen (Stichwort: Schwarz-weiß-Malerei).

Nach den explosiven Zorn-Reaktionen, aber auch sonst fast durchgängig, zumindest unterschwellig belastend, kommt es auch zu Scham- und Schuldgefühlen, was ihrerseits das Gefühl verstärkt, ein schlechter Mensch zu sein. Dies unterscheidet die BPS deutlich von der Antisozialen Persönlichkeitsstörung.

Das bedeutet, dass ein Betroffener selbst unter seinem Verhalten leidet und nicht absichtlich, oder bewusst seine Partner verletzt, auch wenn das von Angehörigen oft so wahrgenommen wird.

Quelle: Frei nach Prof.Dr. Fausts Abhandlung Borderline-Persönlichkeitsstörung aus Psychatrie Heute
 

 

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instabile, Intensive Beziehungen

Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.

Borderline: Intensive Beziehungen
Borderline: Intensive Beziehungen

Betroffene zeigen manchmal einerseits eine überdimensionale Angst  vor Trennungen und andererseits Furcht, Intimität zuzulassen. Dies führt zu instabilen Beziehungen. Der permanente Wunsch nach Nähe, Geborgenheit und Versorgt werden, geht mit der Angst einher, völlig vereinahmt zu werden, was ein ständiges Tauziehen dieser beiden Seiten bedeutet. Borderline-Beziehungen folgen immer einer bestimmten Dialektik, also einer Abfolge von Wiedersprüchen. Häufig haben Betroffene einfach eine zu große Panik davor nahestehende Menschen an sich heran zu lassen, aus Angst sich so stark an andere Personen zu binden, dass eine Trennung neue seelische Narben hinterlassen könnte.Diese Probleme müssen sich nicht in allen Formen der zwischenmenschlichen Beziehungen auffällig werden. Borderliner sind i.d.R. nicht so stark sozial gestört das sie
nicht erfolgreich im Berufsleben sein können. Die Probleme entstehen nahezu ausschließlich in persönlichen, emotionalen Bindungen. Je intensiver oder intimer die Verbindung wahrgenommen wird, umso heftiger reagiert der Betroffene auch in seiner Zurückweisung. Für gewöhnlich nimmt die Borderlinepersönlichkeit diesen Widerspruch selbst war, was zusätzlich schwer für ihn zu ertragen ist. Auch für Partner ist dieser ständige Wechsel zwischen Wunsch nach Nähe und Distanz schwer zu ertragen. Werden die widersprüchlichen Bedürfnisse von der Umgebung nicht erfüllt, kommt es rasch zu einer Abwertung. Instabile, kurze Beziehungen sind die Folge. Kleinste Zurückweisungen werden als Enttäuschung erlebt und führen in Beziehungen schnell zu einem generellen Mißtrauen, das sich mit jedem Widerholen zu einem Menschenhass (Misanthropie) entwickeln kann.

Angehörige und Partner von Borderlinern wissen oft nicht mit diesem Ständigen wechsel von Idealisiert – und abgewertet werden umzugehen. Auch „normale“ Menschen gehen mit diesem Verhalten unterschiedlich um. Entweder sie ragieren mit übertriebener Anteilnahme und Rücksichtnahme, was der Borderliner ebenfalls nicht ertragen kann. Für sie ist die Fürsorge eine Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig. Eine Lösung dafür gibt es nicht wirklich.

Borderline - instabile Beziehung
Borderline – instabile Beziehung
Typische Muster in der Borderline-Beziehung:
  • Kontakte nicht zu pflegen, sich oft mehrere Tage, Wochen, Monate nicht bei angeblich Nahestehenden Personen zu melden.
  • Flucht, einfach die Beziehung, oder auch die nähere Umgebung zu verlassen, ohne eine Aussprache zu suchen. Sehr oft kommt der Wunsch vor, irgendwo ein neues Leben zu beginnen.
  • Manipulatives Verhalten aus Kontrollbedürfnis um den Partner bei sich zu halten, ohne ihn näher an sich heran zu lassen. Oft Verbunden mit Drohung von Trennung, Selbstverletzung oder Suizid.

Die Bindungen werden gerne auch unterschiedlich intensiv wahrgenommen. Sie sind abhängig davon, welche Funktion diese Bindung für den Betroffenen zu erfüllen hat. Die
Kontinuität von Bindungen ist von der grundsätzlichen Akzeptanz des Partners abhängig. In jeder Beziehung tauchen nach einiger Zeit Widersprüche und Störungen auf und können dann nur durch „Verhandlungen“ aufgelöst werden, womit die Beziehung dann immer wieder neu definiert werden muss.

Die Sprunghaftigkeit in engen Beziehungen wirkt sich sogar auf die Zusammenarbeit mit Therapeuten aus. Auch hier kann der Betroffene von anfänglicher Idealisierung bis hin zu Verachtung und totaler Ablehnung reagieren. Deshalb brechen viele Patienten die Therapie ab, oder können sich nicht erfolgreich auf die Bemühungen des Therapeuten
einlassen.

 

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