Bei der Binge-Eating-Störung (BES, engl. Binge Eating Disorder, vom engl. Binge = Gelage) handelt es sich um eine Essstörung, bei der es zu periodischen Heißhungeranfällen (Fressanfällen) mit Verlust der bewussten Kontrolle über das Essverhalten kommt. Bei den charakteristischen Essanfällen werden in der Regel viel zu große Portionen auffallend schnell herunter geschlungen. Meist greifen die Betroffenen dabei auf äußerst fettreiche und süße Lebensmittel zurück, die viele Kalorien enthalten.
Im Gegensatz zu Bulimikern versuchen Binge Eater nach dem Essen jedoch nicht, die übermäßige Kalorienzufuhr durch Gegenmaßnahmen zu kompensieren. Die Betroffenen erbrechen danach nicht und nehmen auch keine Medikamente (z.B. Abführmittel) ein, um ihr Gewicht zu halten. Sie verfallen nach dem Essanfall auch nicht in extreme Diäten, oder versuchen durch sehr viel Sport den Anfall „ungeschehen“ zu machen, wie es bei Bulimikern häufig der Fall ist. Im Gegenteil, es ist bei Menschen mit einer Binge-Eating-Störung durchaus häufig zu beobachten, dass sie körperlich weniger aktiv sind und wenig Sport betreiben. In ihrer Freizeit gehen sie lieber andern bewegungsarmen Hobbys und Freizeitbeschäftigungen, wie z.B. Computerspielen, Fernsehen nach.
Da während des Essanfalls viel zu viele Kalorien aufgenommen werden, ist bei den Betroffenen das Risiko übergewichtig zu werden sehr groß. Ein vorausgesetztes Diagnosekriterium für die Krankheit ist Übergewicht jedoch nicht. Binge Eating kann auch bei Menschen mit Normalgewicht auftreten. Im Umkehrschluss hat auch nicht jeder Mensch der Übergewichtig ist, automatisch diese Essstörung.
Von allen bekannten Essstörungen ist die Binge-Eating-Störung die noch am wenigsten erforschte. Obwohl das Störungsbild bereits 1959 erstmals beschrieben wurde (Stunkard, 1959), ist die Binge-Eating-Störung bisher nicht mit eigenen diagnostischen Leitlinien in der ICD-10 aufgeführt und wird deshalb unter F 50.9: „Nicht näher bezeichnete Essstörungen“ oder unter F 50.4 „Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen“ subsumiert. Auch wenn die Störung bisher keine Erwähnung im DSM-IV findet, wurde 1994 erstmals Forschungskriterien für die BES formuliert. Für die diagnostischen Kriterien der Binge-Eating-Störung wurden dort folgende Symptome aufgestellt:
- mindestens zwei Essanfälle pro Woche über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten
- Kontrollverlust während der Nahrungsaufnahme mit Verlust des Sättigungsgefühls
- sehr hohe Kalorienzufuhr bei einem Essanfall
- extrem hastiges Essen („schlingen“)
- Essen bis zu einem starken Völlegefühl
- der Essanfall wird nicht durch starken Hunger ausgelöst
- nach dem Essanfall treten Schuld- und Schamgefühle auf, teilweise bis zur Depression
- die Betroffenen leiden unter den Essanfällen
Menschen, die an einer Binge-Eating-Störung leiden, sind häufig extrem auf das Essen fixiert. Während des Essanfalls verlieren sie das Gefühl und die Kontrolle. Sie essen, ohne hungrig zu sein, und essen weiter, auch wenn sie eigentlich satt sein müssten. Hinterher schämen sich die Betroffenen für die Anfälle, fühlen sich schuldig, verachten sich und lehnen sich und ihren Körper ab. Zwischen den Essanfällen gelingt es den Betroffenen meist ein völlig normales Essverhalten an den Tag zu legen. Sie essen mal sehr kontrolliert, dann jedoch wieder extrem viel und unkontrolliert.
Studien lassen den Schluss zu, dass die Essanfälle ausschließlich psychisch bedingt sind und überwiegend durch negative Gefühle, Stress oder quälende Langeweile ausgelöst werden. Experten vermuten, dass mit den Essanfällen unangenehme Situationen oder Emotionen unterdrückt werden sollen. In diesem Fall ist Binge Eating also eine Form von Abwehrmechanismus oder um eine behelfsmäßige Vermeidungsstrategie.
Binge Eating wird ähnlich wie die Bulimie mit einem psychotherapeutischen Ansatz behandelt. Je nach schwere kann eine stationäre Behandlung in einer Klinik sinnvoll sein. Bei der Behandlung hat sich vor allem die Verhaltenstherapie als hilfreiche Therapieform erwiesen. Die Therapie der Binge-Eating-Störung hat zwei Haupt-Behandlungsziele:
- Normalisierung des Essverhaltens und des Gewichts
- Behandlung der zugrunde liegenden psychischen Störung
Da es bei Binge Eating meist auch zu extremen Übergewicht kommt ist Sport und Bewegungstherapie ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgsversprechenden Behandlung. Zum einen weil Sport und Bewegung sich als hilfreich bei Depressionen herausgestellt hat, aber auch weil dort eventuell vorhandenen körperlichen Schäden entgegengewirkt werden kann.
Hauptziel der Therapie ist jedoch die Behandlung von Selbstwertdefiziten, zwischenmenschlichen Problemen und die Normalisierung des Essverhaltens.
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Weitere Links zum Thema (ausserhalb von Grenzwandler.org):
Bundesfachverband Essstörungen (BFE).