Das Dramadreieck: Opfer-Täter-Retter…

… warum dieses Rollenmodel Menschen nicht wirklich weiterbringt.

Menschen die in einer Borderlinebeziehung leben, oder eine Trennung hinter sich haben greifen gern auf das Opfer-Täter- Model zurück. Beim Begriff Opfer muss berücksichtigt werden, dass es sich dabei meist eher um eine Opferhaltung handelt. Der Unterschied besteht darin, dass man sich diese Rolle aus Hilflosigkeit selbst gibt. Das muss nicht immer bewusst geschehen und kann den eigenen Persönlichkeitsstil wiederspiegeln.

Das Problem des Opfer-Täter Bildes kann am besten mit dem Drama-Dreieck nach Stephan Karpmann erklären. Es beschreibt ein sozialpsychologisches Modell der Transaktionsanalyse, dass Konfliktsituationen einer Beziehung zwischen mindestens zwei Menschen wiederspiegelt.

Im klassischen Bild des Dramadreiecks kommt gerne noch die Funktion des Retters hinzu, eine ebenfalls wichtige Rolle die das „Spiel“ erst so richtig ins Drehen bringt.

Dramadreieck
Dramadreieck
 

Der Täter, im Dramadreieck gern Verfolger genannt, übernimmt die aggressive offensive Rolle. Er konfrontiert das Opfer und begibt sich dadurch in eine überlegene Position da es nun am Opfer ist sich zu rechtfertigen.

Das Opfer übernimmt die defensive Rolle und fühlt sich durch die Konfrontation angegriffen.

Der Retter übernimmt eine ebenfalls aggressive Rolle, indem er die Position des Opfers übernimmt und gegen den Täter verteidigt.

Im Dramadreieck sind die Rollen nicht fest vergeben und wechseln auch situationsbedingt ständig, was einen Teufelskreis darstellt.

Der Täter z.B. kann sein Verhalten überhaupt nicht aggressiv wahr genommen haben und durch die Reaktion des Opfers selbst die Opferrolle übernehmen. Ebenso kann er sich vom Retter angegriffen fühlen und die Opferrolle übernehmen. Er kann sich gegen die Einmischung des Retters wehren und gegen ihn zum Täter werden oder das Opfer gegen die Bevormundung des Retters verteidigen, was ihn zum Retter macht.

Das Opfer kann sich angegriffen fühlen, deswegen den Täter konfrontieren und damit die Täterrolle übernehmen. Ebenso kann er durch die ungewollte Hilfe des Retters bevormundet fühlen und sich  wieder in der Opferrolle finden oder durch seine Passivität die Verantwortung an den Retter übertragen und zu seinem Retter werden, da der Retter in dieser Rolle Bestätigung bekommt.

Der Retter kann zum Opfer werden da die Person der er helfen wollte die Hilfe nicht annimmt. Und zum Täter werden, indem er den Täter konfrontiert.

Einzig die Wahrnehmung entscheidet welche Rolle man im Dramadreieck übernimmt. Aus diesem Grund gibt es aus diesem Modell kein entkommen, da allein die Perspektive entscheidet wo man sich in diesem Modell wiederfindet.

In einer Borderlinebeziehung spiegelt sich dieses Dramadreieck deutlich wieder. Ohne Zuordnung bringe ich dafür als Beleg folgende Sätze:

„Obwohl ich alles für ihn getan habe, hat er mich verlassen!“

„ich wollte nur helfen, aber ich habe ihn einfach nicht erreicht!“

„einfach alles stört mich an ihm, ich kann es einfach nicht mehr ertragen“

„Ich bekomme keine Luft, habe überhaupt keinen Freiraum mehr“

„ständig sucht er Streit, greift mich ohne Grund an“

„ich kann es einfach nicht richtig machen“

Man könnte da noch viele weitere Beispiele nennen.

Eine Lösung diesen Kreislauf zu durchbrechen besteht darin die Position in der man sich wieder findet zu verlassen. Möglich ist das durch Akzeptanz des gegenüber und das bewusst werden der eigenen Anteile.

 

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Gute Krankheit, Böse Krankheit!

Auf der Suche nach dem „eigenen ICH“ kommt man unweigerlich auch an den Punkt seine Schattenseiten zu entdecken. Eigenschaften, die mit dem „Über-ICH“, also der Wunschvorstellung wie man eigentlich gerne sein will, nicht zusammen passen.

Es fällt schwer sich mit negativen Bildern von sich selbst zu identifizieren. Wer bezeichnet sich selbst schon gerne als „Anti-Sozial“, „Narzisstisch“ oder auch nur einfach als „Egoistisch“? Gesellschaftlich sind die Eigenschaften eher negativ besetzt und werden verachtet. An sich selbst diese Eigenschaften festzustellen wird deswegen gern verdrängt.

Andererseits gibt es aber auch Persönlichkeitsbilder, mit denen man sich gerne zeigt, da sie gesellschaftlich eher akzeptiert werden. Es wird allgemein positiv bewertet sich selbst für andere aufzuopfern. Auf der Suche nach sich selbst stolpert man auch auf Begriffe wie Co-Abhängig , Helfersyndrom und Hochsensibel. Auf den ersten Blick alles nette kleine
Krankheiten die eher sympathische kleine Schwächen sind.

Es gibt den bösen Borderliner, das Anti-Soziale Monster und den egoistischen Narzissten und im Gegenteil dazu den fürsorglichen Co-Abhängigen, den lieben Retter mit Helfersyndrom und den einfühlsamen Hochsensiblen. Zu dieser Einstellung kommt hinzu, dass man oft nicht wirklich weiß was sich hinter diesen Begriffen eigentlich wirklich verbirgt.

Hochsensibel bedeutet zum Beispiel bei weiten nicht nur, dass man sehr starkes Einfühlungsvermögen besitzt. Es kann zwar eine mögliche Eigenschaft davon sein,
aber unter hochsensiblen Personen versteht man vor allem Menschen, mit einem extrem empfindlichen Nervensystem, die sich in Alltagssituationen durch Reizüberflutung schnell überfordert fühlen. Kleinste Reize, zum Beispiel schreiende kleine Kinder in der U-Bahn werden als unerträgliche Belastung aufgenommen und erzeugt bei Betroffenen so großen Stress, dass sie mit Rückzug und Abwehr reagieren. Auch emotionaler Stress ist für sie eine große Belastung und man sollte sehr vorsichtig sein wenn man sie mit ihren negativen Eigenschaften konfrontiert. Sie erwarten mit Samthandschuhen angefasst zu werden und lieben die Illusion von Harmonie, anstatt sich einem eventuell notwendigen Konflikt zu stellen.

Es wird viele Angehörige überraschen zu lesen, dass viele Borderliner erfolgreich in sozialen Berufen arbeiten. Das liegt bei weiten nicht nur an den empathischen Fähigkeiten über die die meisten Betroffenen verfügen. (Vorsicht! Empathie bedeutet nicht Mitleid. Es bedeutet lediglich die Eigenschaft Stimmungen und Emotionen in anderen zu erkennen und zu verstehen).
In Gruppenarbeit zeigten viele Borderliner Symptome, die Co-Abhängigkeit zumindest sehr nahe kommt. Eben weil sie aus Angst vor Nähe oft Abweisend sind, können sie diese Eigenschaft nicht mit ihrem „Über-Ich“ vereinbaren. Durch soziales Engagement versuchen sie dann diese Schwäche wieder gut zu machen. Sie beruhigen damit ihr schlechtes Gewissen in dem sie sagen können: „Grundsätzlich bin ich ja immer für andere da!“. – Diese These muss nicht immer zutreffend sein, doch ich behaupte sie ist weit verbreitet.

Gerade die gesellschaftlich akzeptierten Persönlichkeitsbilder Co-Abhängig und das berüchtigte Helfersyndrom sind bei genauerer Betrachtung durchaus Aggressiv und Egoistisch. Man denkt das diese Eigenschaften nicht zu den Begriffen passen. Doch betrachten wir das mal genauer:

Menschen die an Co-Abhängigkeit leiden haben in der Regel ein so geringes Selbstwertgefühl, dass sie nur darin Bestätigung finden, wenn sie anderen helfen können. Es ist dabei vollkommen irrelevant ob das Gegenüber die Hilfe benötigt oder sucht, sie wird aufgedrängt. Nur wenn sie gebraucht werden, haben sie für sich eine Existenzberechtigung. Wenn diese Hilfe abgelehnt wird, oder sie dadurch nicht die Wertschätzung erhalten die sie sich wünschen, reagieren sie beleidigt oder werden wütend. „Ich war immer für dich Da und trotzdem verlässt Du mich!“ ist ein typischer Satz der diesen Konflikt sehr deutlich macht. Man denkt wenn man nur für den anderen da ist muss man dafür auch geliebt werden. Liebe hat jedoch nicht unbedingt etwas mit Dankbarkeit zu tun. Schon gar nicht wenn diese Rettung aufgedrängt wird.

Beim Helfersyndrom verhält es sich ähnlich. Meist liegen beiden Ängste aus der Kindheit zu Grunde. In der Kindheit haben diese Betroffenen verinnerlicht, dass sie nur Wertschätzung erfahren wenn sie für andere da sind. Das sie Ihrem Gegenüber damit bevormunden und die Möglichkeit nehmen selbst auf Situationen zu reagieren, können sie nicht Wahrnehmen. Wenn man sie darauf konfrontiert hört man oft: „Bitte, dann halt nicht. Ich wollte ja nur helfen!“ Letztendlich steckt hinter dieser Hilfe jedoch nicht wirklich der Wunsch für andere da zu sein, sondern eher rein egoistisch der Wunsch sich
selbst wichtig und gebraucht zu fühlen. Diese Tatsache wird jedoch gerne übersehen, oder verdrängt und unsere Gesellschaft unterstützt dieses Verhalten.

Wie gern man sich mit diesen positiven Krankheitsbildern identifiziert zeigt ein einfaches Beispiel. In Kliniken werden oft Selbsthilfegruppen angeboten. Während Gruppen, die sich mit eher negativ bewerteten Süchten und Krankheitsbildern beschäftigen (wie zum Beispiel BA (Borderliner Anonymus)), im Schnitt 15 Mitglieder hatten, war die Gruppe CoDa (Gruppe der Co-Abhängigen) mit über 40 Leuten regelmäßig überfüllt. Obwohl man ja eine Anonymus Gruppe besuchte, also etwas das man nicht unbedingt offen ausspricht wurde es gern erwähnt. Ein wenig erinnerte es mich daran wie man von seiner Arbeit spricht. „Ich bin Programmierer“ und „Ich bin Co-Abhängig“ sagten diese Leute gern mit dem selben Tonfall, etwas auf das man eventuell sogar Stolz ist. Spannend war auch das viele dieser Leute eigentlich eher extreme egoistische oder narzisstische Züge aufwiesen. Sie entschuldigten dieses Verhalten dann gern mit „Ich bin Co-Abhängig und muss ja schließlich lernen mehr auf mich zu schauen!“ Zu erwähnen ist noch das über die Hälfte der Betroffenen sich selbst mit der Co-Abhängigkeit diagnostiziert hatten. Es lag keinerlei therapeutische Diagnose hinter dieser Vermutung.

Ich will damit auf keinem Fall wirklich Betroffenen Co-Abhängigen absprechen, dass sie unter ihrer Abhänigkeit leiden. ich möchte damit nur klarstellen, dass man sich deutlich lieber mit einer Co-Abhängigkeit identifiziert als mit einer Borderline-Störung.

Bei Angehörigen von Borderlinern findet man erstaunlich viele Menschen, die sich selbst als Hochsensibel, Co-Abhängig oder vom Helfersyndrom betroffen bezeichnen. Das Leid das sie in einer Borderline-Beziehung erfahren haben bringt sie häufig zu der Vermutung. Zumindest bei den unzähligen Hochsensiblen  glaube ich, dass viele Hochsensibel mit „Ich bin überdurchschnittlich einfühlend und leide deswegen ganz besonders unter der Borderline-Beziehung“ verwechseln.

Problematisch ist, dass die Muster Helfersyndrom, Co-Abhängigkeit oder Dependente Persönlichkeitsstörung auf den ersten Blick eine perfekte Ergänzung zur Borderlinepersönlichkeit wiederspiegelt.

 

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Prof.Dr.Faust: Psychosoziale Gesundheit