Borderline: Spiegelung – was ist dieses „spiegeln“ bei Borderline

Wenn man über Borderline liest wird man unweigerlich irgendwann auf den Begriff „Spiegeln“ stoßen. Häufig bleibt man jedoch dabei im Unklaren was sich hinter dem Begriff verbirgt. Das hat zum einen damit zu tun, dass Spiegeln ein Begriff ist, der in vielerlei Hinsicht verwendet wird. So wird der Begriff Spiegeln  in der Psychologie, laut Wikipedia, in mindestens vier Bereichen in jeweils eigenem Sinn gebraucht:

  • in der psychoanalytisch orientierten Gruppenanalyse und Supervision
  • in der Humanistischen Psychologie von Carl Rogers
  • in der Theorie des Narzissmus von Heinz Kohut
  • in der psychologisch-spirituellen Transformationslehre
Borderline: Spiegelung
Borderline: Spiegelung, Verwechslung, Übertragung

Spiegeln beschreibt aber auch einen Effekt, der mit Wahrnehmung zu tun hat. Wenn man mit einem Menschen in Kontakt tritt, erhält man eine Vielzahl von Botschaften, die wir bewusst oder unbewusst wahrnehmen können. Teilweise handelt es sich dabei um Dinge, die uns aktiv vom Gegenüber mitgeteilt werden. Zu einem anderen Teil handelt es sich um Eindrücke die wir selbst wahrnehmen. Genau hier greift das Spiegeln, wie es im Zusammenhang mit Borderline häufig verwendet wird.

Dabei beschreibt Spiegeln das Phänomen, dass wir in unserem Gegenüber eigene Anteile erkennen. Je nachdem wie die Person auf uns wirkt, nehmen wir dabei unsere eigenen Defizite, oder eigene Wünsche/Bedürfnisse wahr.

Beispiel:

Wenn ich ein eher schüchterner Mensch bin und nehme eine Person wahr, die sich sehr offen und Kontaktfreudig zeigt, erkenne ich dabei mein eigenes  „Über-Ich“. In meiner Idealvorstellung hätte ich gerne die Offenheit und Kontaktfreude meines Gegenübers. Es wird mir also meine Idealvorstellung von mir selbst gespiegelt und macht mir dabei mein eigenes Defizit in dem Bereich bewusst.

Anderes Beispiel:

Wenn ich mich unbewusst hilflos fühle und mich nach Geborgenheit sehne, kann es durch Spiegelung passieren, dass ich dies auch verstärkt in meinem Gegenüber wahrnehme. Wenn ich dann meinem Gegenüber Hilfe und Geborgenheit biete, kann es also sein, dass ich meine eigene Hilfsbedürftigkeit und den Wunsch nach Geborgenheit bedienen will.

Von Spiegeln spricht man in dem Zusammenhang, wenn ich eigene Anteile in meinem Gegenüber erkenne, ohne dass mir dies aktiv vermittelt wird. Spiegelung hat also immer mit der eigenen Wahrnehmung zu tun.

Gerade wenn man sich zu verlieben beginnt, kommt es häufig zu Spiegelung. Dies bewirkt zum Beispiel, dass man so viele Gemeinsamkeiten mit dem Gegenüber zu erkennen glaubt. Diese Gemeinsamkeiten können natürlich auch tatsächlich vorhanden sein, doch relativ häufig handelt es sich dabei um Spiegelung.

Auch wenn Spiegelung also etwas ist, auf das jeder Mensch in gewisser Weise zurückgreift, hat sie bei Borderlinern eine besondere Bedeutung. Aufgrund der brüchigen „Ich-Struktur“ von Borderline-Betroffenen haben Borderliner häufig eine gestörte Selbstwahrnehmung. Sie sind nicht fähig eigene Anteile in sich wahr zu nehmen. Darum sind sie auf andere Menschen angewiesen die sie spiegeln. Durch die Spiegelung erreichen sie also einen Bezug zu sich selbst.

Aus diesem Grund kann Gruppentherapie für Borderline-Betroffene äußerst wirkungsvoll sein, auch wenn man sich vielleicht aufgrund einer vorhandenen Sozialphobie vor Gruppenarbeit scheut.

Gerade zu Beginn meiner Therapie war Gruppen-Therapie für mich wichtig um verstehen zu können was in mir vor sich geht. Mir hat Gruppenarbeit also sehr geholfen, was jedoch nicht auf jeden Betroffenen zutreffen muss.

Ein Borderliner, der von seinem Gegenüber die Dinge gespiegelt bekommt, die seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse entspricht, wird diese Person anziehend finden. Anders herum kann sich der Betroffene, aufgrund seiner fehlenden Ich-Struktur, perfekt auf sein Gegenüber einstellen und bietet sich somit seinem Gegenüber als perfekter Spiegel an. Dieser Umstand sorgt dafür das die Partner auf den ersten Blick perfekt zueinander passen scheinen.

Was es schwierig macht Spiegelung verstehen zu können, hängt zu einem großen Teil damit zusammen, dass es verschiedene andere Mechanismen gibt, die dem Spiegeln sehr ähneln.

Es könnte sich um Übertragung handeln.

Von Übertragung spricht man, wenn ich in meinem Gegenüber alte Muster aus meiner Kindheit erkenne und somit Gefühle oder Erwartungen in mir ausgelöst werden, die nichts mit meinem Gegenüber zu tun haben. Vielmehr erkenne ich dabei meine Eltern wieder und reagiere unbewusst mit meinem Verhalten auch so, wie ich auf meine Eltern reagieren würde. Man spricht entweder von positiver, oder negativer Übertragung, je nachdem wie ich die Situation mit Kindheitserinnerungen in Verbindung bringe.

Beispiel:

Ich erkenne unbewusst bei meinem autoritären Vorgesetzten wenn er mich kritisiert meine Mutter wieder und reagiere deswegen mit kindlichem, überzogenem Autonomieverhalten. Oder mit Unterwürfigkeit.

Oder:

Ich habe in meiner Kindheit von meinem Vater wenig Aufmerksamkeit erhalten und suche deswegen in meinem Partner nach der Anerkennung die er mir verweigerte.

 

Während es bei der Übertragung immer um Erfahrungen aus der Kindheit handelt, gibt es noch die Möglichkeit, Verhalten oder Persönlichkeitsmerkmale anderer Personen im Gegenüber wahrzunehmen. In diesem Fall sprachen meine Therapeuten von Verwechslung. Verwechslung kann sowohl durch äußere Reize, als auch durch Verhalten ausgelöst werden. Je nachdem wie ich die andere Person in Erinnerung habe, löst die Verwechslung entweder gute, oder negative Emotionen in mir aus. Diese Emotionen stehen jedoch nicht unmittelbar mit meinem Gegenüber im Zusammenhang, sondern entsprechen meiner vorbelasteten Erinnerung.

Beispiel:

Jemand mit einer auffallenden Brille hat mich schlecht behandelt. Wenn ich auf eine andere Person treffe die eine ähnliche Brille trägt, reagiere ich abwehrend oder aggressiv.

Oder:

Ich wurde in Vergangenheit von einer Ex-Partnerin betrogen. Wenn ich eine neue Beziehung eingehe unterstelle ich meiner neuen Partnerin, dass sie mich betrügt, obwohl es dafür keine erkennbaren Anzeichen gibt.

Oder im positiven Sinne:

Ich treffe auf eine Frau die mich an eine Ex-Partnerin erinnert, die ich sehr geliebt habe.

Neben Spiegelung, Übertragung und Verwechslung können noch andere Mechanismen die Wahrnehmung beeinflussen. Zum Beispiel die Abwehrmechanismen Projektion und projektive Identifikation.

Häufig glaubt man, wenn sich die Spiegelung als unzutreffend erweist, getäuscht worden zu sein. Dies muss jedoch nicht immer der Realität entsprechen, da ich durch Spiegelung mit meinen eigenen Anteilen konfrontiert werde.

Aldo Berti hat das, was bei der Spieglung tatsächlich passiert in seinen Spiegelgesetzen schön zusammengefasst:

1. Spiegel-Gesetz
Alles was mich am anderen stört, ärgert, aufregt oder in Wut geraten lässt und ich anders haben will, habe ich selbst in mir. Alles, was ich am anderen kritisiere oder sogar bekämpfe und verändern will, kritisiere, bekämpfe oder unterdrücke ich in Wahrheit in mir und hätte es gerne anders.

2. Spiegel-Gesetz
Alles, was der andere an mir kritisiert, bekämpft und verändern will und ich mich deswegen verletzt fühle, so betrifft es mich – ist dies in mir noch nicht erlöst. Meine gegenwärtige Persönlichkeit fühlt sich beleidigt – der Egoismus ist noch stark.

3. Spiegel-Gesetz
Alles was der andere an mir kritisiert und mir vorwirft oder anders haben will und bekämpft und mich dies nicht berührt, ist es sein eigenes Bild, sein eigener Charakter, seine eigenen Unzulänglichkeiten, die er auf mich projiziert.

4. Spiegel-Gesetz
Alles, was mir am anderen gefällt, was ich an ihm liebe, bin ich selbst, habe ich selbst in mir und liebe dies im anderen. Ich erkenne mich selbst im anderen – in diesen Angelegenheiten sind wir eins.

 

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Borderline und Beziehung

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Borderline-Spiegel: Spiegelgesetze

Borderline-Spiegel: Der Schmerz

 

projektive Identifikation

Der PROJEKTIVEN IDENTIFIKATION geht grundsätzlich immer eine Projektion voraus. Der große Unterschied besteht darin, dass das Gegenüber bei der projektiven Identifikation (unbewusst) so beeinflusst wird, dass es die projizierten Erwartungen erfüllt. Diese anderen Personen spüren dann die Affekte oder Konflikte so in sich, als wären sie ihre eigenen. Während bei der Projektion also die Person, die als Projektionsfläche dient, die Affekte nicht oder nicht in diesem Ausmaß spürt, wird bei der projektiven Identifikation die Affekte der abwehrenden Person deutlich spürbar und erzeugen einen gewissen Handlungsdruck bei der Bezugsperson.

Borderline: Abwehrmechanismus - projektive Identifikation
Borderline: Abwehrmechanismus – projektive Identifikation

Borderliner greifen zum Selbstschutz häufig auf projektive Identifizierung zurück. Dabei werden eigene, vorwiegend aggressive Anteile auf den Partner projiziert. So wird zum Beispiel der eigene Hass dem Gegenüber unterstellt und oft auch dazu gebracht, dass die Person den projektierten Hass selbst empfindet und dementsprechend handelt. Typisch ist, dass der Borderliner durch unmittelbaren Druck oder durch eigenes Verhalten (die genau jene Gefühle und Impulse im anderen auslösen) versucht, das erwartete Verhalten beim anderen durch Manipulation zu bewirken. Der Borderliner kann sich somit als „Opfer“ der Aggression des Partners sehen und schützt sich dadurch vor den Schuldgefühlen der eigenen Aggression.

Beispiel: Ich kann mit Schuldgefühlen nicht umgehen und versuche deswegen das Scheitern einer Beziehung der anderen Person zuzuschieben bis sich die Person auch selbst Schuldig fühlt.

Die Projektive Identifikation gehört zum normalen Schutzmechanismus des frühkindlichen Bewusstseins. Je mehr sie jedoch bis ins Erwachsenenalter überdauert, desto problematischer wird sie. Der Gebrauch der projektiven Identifikation ist nicht auf Borderliner beschränkt. Ohne sich dessen bewusst zu sein, neigen auch normale Erwachsene dazu, zur Erfüllung eigener psychischer Belange anderen gegenüber eine gewisse Erwartungshaltung einzunehmen.

In der Idealisierung handelt es sich beim erwarteten Verhalten meist um positive Zuwendung. In der Abwertung ist jedoch der Impuls, zu kritisieren, zu verachten oder herabzusetzen dominanter.

 

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