Borderline: Komorbidität mit anderen Persönlichkeitsstörungen

Unter dem Begriff Persönlichkeitsstörung versteht man, wie der Name schon sagt, eine Störung der Persönlichkeit bezeichnet. Sie werden im ICD10 im Kapitel F60 Persönlichkeitsstörungen klassifiziert. Es liegt ein eingewurzeltes Fehlverhalten vor, dass in Intensität, Dauer und Inhalt deutlich von der Norm abweicht und besonders in zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Konflikten auffällig wird.

Borderline: Komorbidität: Persönlichkeitsstörungen
Borderline: Komorbidität: Persönlichkeitsstörungen

Wenn eine Persönlichkeitsstörung vorliegt, sind bestimmte Merkmale der Persönlichkeitsstruktur so stark akzentuiert, dass beim Betroffenen hoher Leidensdruck, Probleme im zwischenmenschlichen und sozialen Bereich und die Ausprägung anderer psychischer und körperlicher Krankheiten entstehen können. Die persönliche und soziale Funktions- und Leistungsfähigkeit ist meistens beeinträchtigt.

Häufig wird auch das engere Umfeld durch die  entsprechenden Krankheitssymptome beeinträchtigt.

Studien belegen, dass ca. 10% aller Menschen die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllen. Grundsätzlich haben Persönlichkeitsstörungen einen chronischen Verlauf und beginnen schon in der Kind- bzw. Jugendzeit.

Persönlichkeitsstörungen werden nach charakteristischen Merkmalen unterteilt, wobei jedoch häufig Überschneidungen vorkommen. Die Grenze zwischen einer „normalen“ Persönlichkeit und einer Persönlichkeitsstörung ist natürlich fließend und deshalb Anlass für vielfältige Diskussionen. Es ist deswegen besonders wichtig, dass man zwischen einem Persönlichkeitsstil und einer Persönlichkeitsstörung unterscheidet. Grundsätzlich muss man bei dieser wichtigen Unterscheidung darauf achten, ob ein Mensch durch seine Persönlichkeit deutlich in seiner sozialen Stabilität und Wohlbefinden gestört ist und seine Umgebung durch seinen Persönlichkeitsstil massiv beeinträchtigt. Erst wenn dies gegeben ist, darf man von einer Persönlichkeitsstörung sprechen.

Ein Mensch, der trotz eines sehr ausgeprägten, vielleicht sogar auffälligen Persönlichkeitsstils sozial stabil, nicht leidend und im sozialen Umgang für seine Mitmenschen nicht ausgeprägt belastend ist, hat keine Persönlichkeitsstörung.

Zu jeder Persönlichkeitsstörung gehört deshalb die anhaltend „übersteigerte“ Ausprägung einer normalen menschlichen Eigenschaft, die chronisch zu individuellen bzw. sozialen Konflikten führt:

Persönlicher Stil

Persönlichkeitsstörung

gewissenhaft, sorgfältig

zwanghaft

ehrgeizig, selbstbewusst

narzistisch

expressiv, emotional

histrionisch

wachsam, misstrauisch

paranoid

sprunghaft, spontan

borderline

anhänglich, loyal

dependent

zurückhaltend, einsam

schizoid

selbstkritisch, vorsichtig

ängstlich-selbstunsicher

ahnungsvoll, sensibel

schizotypisch

abenteuerlich, risikofreudig

Dissozial

 (Quelle: Berliner Charité)

Da sich die einzelnen Persönlichkeitsstörungen schwer voneinander unterscheiden lassen und sich viele Symptome gleichen, ist eine gesicherte Diagnose nur von entsprechenden Experten (Psychiater, Psychologen und Therapeuten) zu stellen.

Persönlichkeitsstörungen haben eine hohe Komorbiditätsrate untereinander. So wird von einigen Experten davon ausgegangen, dass bei Borderline fast immer noch mindestens eine weitere Persönlichkeitsstörung vorliegt (B.Dulz: Vortrag vor der Norddeutschen Gesellschaft für angewandte Psychotherapie am 12.01.2008 in der Curtiusklinik Bad Malente-Gremsmühlen).

Bei der Borderline Persönlichkeitsstörung kommt es häufig zu einer Komorbidität zu folgenden Persönlichkeitsstörungen:

  • Ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung
  • Dependente (abhängige) Persönlichkeitsstörung
  • Paranoide Persönlichkeitsstörung
  • Narzisstische Persönlichkeitsstörung
  • Histrionische Persönlichkeitsstörung

Ja nachdem welche Komorbidität mit der Borderline Persönlichkeitsstörung zusammen Auftritt hat individuellen Einfluss auf das Verhalten des Betroffenen. Da bei Borderlinern fast immer Komorbiditäten auftreten, gibt es den „Muster-Borderliner“, aus dessen Verhalten man eindeutige Rückschlüsse ziehen kann nicht. Es handelt sich dabei am ehesten um akzentuiert vorhandene Tendenzen die den Charakter des Betroffenen zwar beeinflussen, jedoch nicht ausschließlich ausmachen. Hinzu kommt das auch bei einer diagnostizierten Persönlichkeitsstörung alle Symptome der Krankheit vorhanden sein müssen.

 

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Gesellschaft zur Erforschung und Therapie von Persönlichkeitsstörungen (GePs) e.V.

Charité Berlin: Persönlichkeitsstörungen

 

Borderline: Komplementärstörung abhängige (dependente) PS

Die abhängige Persönlichkeitsstörung (auch dependente  oder asthenische Persönlichkeitsstörung genannt) ist die am häufigsten vorkommende Komplementärstörung zur Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Abhängige Persönlichkeiten zeigen ein überschätztes Bedürfnis nach Liebe und Zugehörigkeit. Sie suchen ständig die Bestätigung durch andere und leiden unter intensiver Trennungsangst. Dies zur Folge stellen sie eigenständige Impulse zurück, vermeiden Konflikte und eigene Entscheidungen. Dependente Persönlichkeiten wollen geliebt und gebraucht werden woraus ein übersteigerter Wunsch nach Aufopferung für andere entsteht. Sie empfinden sich selbst nur dann als Liebenswert, wenn sie für andere da sein können. Dominante und autoritäre Persönlichkeiten ziehen sie an, denn sie sind schnell bereit, sich den Wünschen und Erwartungen anderer zu fügen. Wie brave Kinder hoffen sie auf den Schutz derer, denen sie das Feld überlassen. Es entsteht das Bild „ich werde geliebt wenn ich nur selbst viel genug Liebe gebe.“ Dabei wird diese Liebe als aktiv-passive Unterwerfung regelrecht aufgedrängt.

Borderline - abhängige (dependente) PS
Borderline – abhängige (dependente) PS

Die Ursache der Abhängigkeit beginnt in der Kindheit. Dort wurde darauf verzichtet eigene Erfahrungen zu sammeln. In der Regel haben dominante Eltern dies zielgerichtet unterbunden. Statt eigene Möglichkeiten auszutesten und an Erfolgen ebenso zu wachsen wie am Scheitern, verzichtet er auf neue Erfahrungen überhaupt, geht auf Nummer sicher, versucht sich pedantisch an Regeln und gesellschaftliche Ordnung zu halten und geniest das Gefühl der Sicherheit. Dadurch entsteht ein Unvermögen selbstständig Freude am Leben zu empfinden, die im Laufe der Zeit immer größer wird und den Abhängigen in seiner Abhängigkeit bestätigt. Der abhängige Mensch sucht sich gerne einen Partner, der für ihn Entscheidungen trifft. Solange dieser Partner sein Wohl bedenkt, kann der Abhängige ein zufriedenes Leben führen, ohne auf eigene Bedürfnisse zu achten. Beachtet der Partner das Wohl des Abhängigen aber nicht mehr, ist hilfloses Unglück vorprogrammiert. In Trennungen reagiert der Abhängige wütend, denn er hat ja alles dafür getan die Beziehung aufrecht zu erhalten. Er fühlt sich verraten, enttäuscht und bemüht sich noch viel mehr um den Partner um seine Abhängigkeit zu befriedigen.

 

Gemeinsamkeiten zu Borderline:

–      Die intensive Angst davor Verlassen zu werden.

Hier zeichnet sich der Abhängige jedoch durch seine Passivität aus. Seine Angst wird zu Trauer. Es entsteht eine Hilfsbedürftigkeit und er versucht sie damit zu kompensieren das er noch mehr für den Partner da sein will. Der Borderliner versucht hier mehr aktiv, durch Manipulation, Projektion und projektiver Identifikation das Verlassenwerden zu verhindern.

–      Das Fehlen des eigenen Ichs

Dependente haben eine Konstanz in ihrem Selbstbild, das sich beständig durch Selbstabwertung zeigt (ich bin nur wert geliebt zu werden wenn ich mich bemühe).Das Fehlende Ich bezieht sich hierbei darauf das ein Betroffener sich nur als Wertvoll empfindet wenn er für andere da sein darf. Beim Borderliner fehlt diese Konstanz, er ist eher sprunghaft und wechselt zwischen Selbstüberschätzung und Selbstabwertung auf der Suche nach sich selbst.

–      Das Bedürfnis Schuld bei Scheitern bei anderen zu suchen.

Auch hier zeichnet sich der Dependente durch seine Passivität aus. Er nimmt die Schuld zwar beim Gegenüber war, doch hat er keinen Antrieb dies zu verändern. Vielmehr verweilt er in der Trauer die dieses Gefühl auslöst (niemand liebt mich, alle sind gegen mich!). Borderliner gehen aktiv gegen so eine vermeintliche Bedrohung vor.

–      Der Wunsch nach intensiver Verbindung (Symbiose)

Beide sind auf der Suche nach einer intensiven symbiotischen Verbindung, doch während der Dependente dieses Bedürfnis beständig konstant erlebt, unterliegt der Borderliner einer widersprüchlichen Nähe-Distanz Problematik.

 

Warum passt die Kombination Abhängige Persönlichkeitsstörung – Borderline auf den ersten Blick so gut zusammen?

Das Zauberwort heißt Kollusion:

KOLLUSION: Man geht davon aus, dass Paare sich unbewusst auf bestimmte neurotische Interaktionen „einigen“, um sich gegenseitig vor dem Bewusstwerden und der Konfrontation mit unbewältigten Grundkonflikten zu schützen. Dabei finden sich oft komplementäre Rollenverteilungen, z.B. :“Wenn du so schwach bist, darf ich so stark sein“. Auf diese Weise stellen die Partner auch sicher, dass sie sich gegenseitig ihre zentralen neurotischen Beziehungswünsche erfüllen.

Quelle: Borderline-Spiegel.de

Bedingt durch den Mechanismus des Spaltens kommt eine Borderline-Persönlichkeit aus ihrer Sicht immer aus einer gescheiterten Beziehung in der sie massiv gelitten hat. Der Ex-Partner, so denken sie, war böse und hatte nur den Wunsch sie zu verletzen. Der Dependente fühlt sich in diesem Moment in der Pflicht sich um den Borderliner zu kümmern. Er will das Vertrauen wieder herstellen, will dem scheinbar hilfsbedürftigen Borderliner beistehen und er will alles unternehmen das es ihm gut geht. Das ist das Muster des Dependenten, er geht in der Rolle des Retters vollkommen auf, während der Borderliner im ersten Moment die Aufmerksamkeit und das Verständnis geniest das der Dependente mehr als bereitwillig gibt. So entsteht schnell eine enge Verbindung in der beide Seiten das perfekte Nutzobjekt ihrer Bedürfnisse finden.

Die Dependente Persönlichkeit brennt geradezu darauf die Bedürfnisse des Borderliners zu befriedigen. Die sprunghafte Art des Borderliners und die ständig wechselnden Stimmungen erträgt der Abhängige zu Beginn der Beziehung geradezu heroisch stoisch. Auch wenn der Dependente unter diesem Auf und Ab leidet fühlt er sich in seiner Meinung bestätigt, das der Borderliner in seinem Leben viel Leid erlebt hat und nur viel Liebe braucht um gerettet zu werden. Etwas das der Dependente im Überfluss bieten kann.

Zu Beginn der Beziehung leben beide Seiten glücklich zusammen. Sie können ihre Verlustängste durch die Symbiose kompensieren, da der Borderliner in der Idealisierung alles macht um die starke Verbindung zu erhalten und der Dependente in diesem Wunsch die notwendige Konstanz spiegelt. Der Borderliner muss in dieser Beziehung keine Angst vor Kontrollverlust haben, da der Dependente sich bereitwillig unterwirft und dem Partner die Kontrolle überlässt. Genau das ist aber auch einer der Faktoren warum diese Beziehung nicht auf Dauer erhalten werden kann.

Da der Dependente nicht fähig ist Grenzen zu setzen ist er den Stimmungsschwankungen der Borderline-Persönlichkeit hoffnungslos ausgeliefert, bis der Leidensdruck zu groß wird. Wenn er dieses Leid äußert und dem Borderliner Schuld vermittelt löst dies die Spaltungsmechanismen des Borderliners aus. Die Idealisierung schwindet und die Symbiose ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Dies löst beim Dependenten Partner Verlustängste aus, die ihn zwingen seine Bemühungen zu lieben und zu retten zu verstärken. Der Borderliner fühlt sich von der Zuwendung des Gegenübers erdrückt, die intensive Nähe löst Ängste und Fluchtreflexe aus, was letztendlich zur Trennung führt.

Die gegenseitig aktivierten Muster verstärken sich nun noch, da der Dependente unter der Trennung leidet und flehend versucht die Beziehung, die er dringend benötigt, zu erhalten, während der Borderliner, bedingt durch die Abwertung, dieses Verhalten abstoßend und bedrohend findet. Je intensiver sich der Dependente um den Borderliner bemüht, umso mehr entfernt er sich.

Da der Dependente im Wunsch nach Nähe konstant ist, der Borderliner jedoch schwankend ist, kommt es immer wieder zum Wechselspiel zwischen Annäherung und Abwehr unter der beide leiden. Auch wenn die Trennungen den Dependenten schmerzen ist er nur allzu gern bereit den Borderliner wieder aufzunehmen wenn sich die Möglichkeit bietet. Es entsteht eine klassische „on/off-Beziehung“ die über mehrere Jahre Bestand haben kann, bis es schließlich zur Endgültigen Trennung kommt.

Am Ende der Beziehung entsteht beim Dependenten Wut und Verzweiflung, denn obwohl er so viel Liebe und Verständnis gegeben hat und alles für den Partner getan hat wurde er verlassen, vielleicht sogar betrogen. Der Borderliner hingegen fühlte sich von den Dependenten unter Druck gesetzt, erdrückt und es herrscht das Gefühl der Partner wolle einem die Eigenständigkeit rauben. Während der Dependente nur noch fähig war in einem „WIR“ zu denken, wechselte der Borderliner im Verlauf der Beziehung ständig zwischen „WIR“ und „ICH“. Dieses „Ich“ empfand der Dependente jedoch als egoistisches Denken und als Bedrohung der Beziehung.

 

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Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie: Dependente Persönlichkeitsstörung Abhängige, asthenische Persönlichkeit

 

Gute Krankheit, Böse Krankheit!

Auf der Suche nach dem „eigenen ICH“ kommt man unweigerlich auch an den Punkt seine Schattenseiten zu entdecken. Eigenschaften, die mit dem „Über-ICH“, also der Wunschvorstellung wie man eigentlich gerne sein will, nicht zusammen passen.

Es fällt schwer sich mit negativen Bildern von sich selbst zu identifizieren. Wer bezeichnet sich selbst schon gerne als „Anti-Sozial“, „Narzisstisch“ oder auch nur einfach als „Egoistisch“? Gesellschaftlich sind die Eigenschaften eher negativ besetzt und werden verachtet. An sich selbst diese Eigenschaften festzustellen wird deswegen gern verdrängt.

Andererseits gibt es aber auch Persönlichkeitsbilder, mit denen man sich gerne zeigt, da sie gesellschaftlich eher akzeptiert werden. Es wird allgemein positiv bewertet sich selbst für andere aufzuopfern. Auf der Suche nach sich selbst stolpert man auch auf Begriffe wie Co-Abhängig , Helfersyndrom und Hochsensibel. Auf den ersten Blick alles nette kleine
Krankheiten die eher sympathische kleine Schwächen sind.

Es gibt den bösen Borderliner, das Anti-Soziale Monster und den egoistischen Narzissten und im Gegenteil dazu den fürsorglichen Co-Abhängigen, den lieben Retter mit Helfersyndrom und den einfühlsamen Hochsensiblen. Zu dieser Einstellung kommt hinzu, dass man oft nicht wirklich weiß was sich hinter diesen Begriffen eigentlich wirklich verbirgt.

Hochsensibel bedeutet zum Beispiel bei weiten nicht nur, dass man sehr starkes Einfühlungsvermögen besitzt. Es kann zwar eine mögliche Eigenschaft davon sein,
aber unter hochsensiblen Personen versteht man vor allem Menschen, mit einem extrem empfindlichen Nervensystem, die sich in Alltagssituationen durch Reizüberflutung schnell überfordert fühlen. Kleinste Reize, zum Beispiel schreiende kleine Kinder in der U-Bahn werden als unerträgliche Belastung aufgenommen und erzeugt bei Betroffenen so großen Stress, dass sie mit Rückzug und Abwehr reagieren. Auch emotionaler Stress ist für sie eine große Belastung und man sollte sehr vorsichtig sein wenn man sie mit ihren negativen Eigenschaften konfrontiert. Sie erwarten mit Samthandschuhen angefasst zu werden und lieben die Illusion von Harmonie, anstatt sich einem eventuell notwendigen Konflikt zu stellen.

Es wird viele Angehörige überraschen zu lesen, dass viele Borderliner erfolgreich in sozialen Berufen arbeiten. Das liegt bei weiten nicht nur an den empathischen Fähigkeiten über die die meisten Betroffenen verfügen. (Vorsicht! Empathie bedeutet nicht Mitleid. Es bedeutet lediglich die Eigenschaft Stimmungen und Emotionen in anderen zu erkennen und zu verstehen).
In Gruppenarbeit zeigten viele Borderliner Symptome, die Co-Abhängigkeit zumindest sehr nahe kommt. Eben weil sie aus Angst vor Nähe oft Abweisend sind, können sie diese Eigenschaft nicht mit ihrem „Über-Ich“ vereinbaren. Durch soziales Engagement versuchen sie dann diese Schwäche wieder gut zu machen. Sie beruhigen damit ihr schlechtes Gewissen in dem sie sagen können: „Grundsätzlich bin ich ja immer für andere da!“. – Diese These muss nicht immer zutreffend sein, doch ich behaupte sie ist weit verbreitet.

Gerade die gesellschaftlich akzeptierten Persönlichkeitsbilder Co-Abhängig und das berüchtigte Helfersyndrom sind bei genauerer Betrachtung durchaus Aggressiv und Egoistisch. Man denkt das diese Eigenschaften nicht zu den Begriffen passen. Doch betrachten wir das mal genauer:

Menschen die an Co-Abhängigkeit leiden haben in der Regel ein so geringes Selbstwertgefühl, dass sie nur darin Bestätigung finden, wenn sie anderen helfen können. Es ist dabei vollkommen irrelevant ob das Gegenüber die Hilfe benötigt oder sucht, sie wird aufgedrängt. Nur wenn sie gebraucht werden, haben sie für sich eine Existenzberechtigung. Wenn diese Hilfe abgelehnt wird, oder sie dadurch nicht die Wertschätzung erhalten die sie sich wünschen, reagieren sie beleidigt oder werden wütend. „Ich war immer für dich Da und trotzdem verlässt Du mich!“ ist ein typischer Satz der diesen Konflikt sehr deutlich macht. Man denkt wenn man nur für den anderen da ist muss man dafür auch geliebt werden. Liebe hat jedoch nicht unbedingt etwas mit Dankbarkeit zu tun. Schon gar nicht wenn diese Rettung aufgedrängt wird.

Beim Helfersyndrom verhält es sich ähnlich. Meist liegen beiden Ängste aus der Kindheit zu Grunde. In der Kindheit haben diese Betroffenen verinnerlicht, dass sie nur Wertschätzung erfahren wenn sie für andere da sind. Das sie Ihrem Gegenüber damit bevormunden und die Möglichkeit nehmen selbst auf Situationen zu reagieren, können sie nicht Wahrnehmen. Wenn man sie darauf konfrontiert hört man oft: „Bitte, dann halt nicht. Ich wollte ja nur helfen!“ Letztendlich steckt hinter dieser Hilfe jedoch nicht wirklich der Wunsch für andere da zu sein, sondern eher rein egoistisch der Wunsch sich
selbst wichtig und gebraucht zu fühlen. Diese Tatsache wird jedoch gerne übersehen, oder verdrängt und unsere Gesellschaft unterstützt dieses Verhalten.

Wie gern man sich mit diesen positiven Krankheitsbildern identifiziert zeigt ein einfaches Beispiel. In Kliniken werden oft Selbsthilfegruppen angeboten. Während Gruppen, die sich mit eher negativ bewerteten Süchten und Krankheitsbildern beschäftigen (wie zum Beispiel BA (Borderliner Anonymus)), im Schnitt 15 Mitglieder hatten, war die Gruppe CoDa (Gruppe der Co-Abhängigen) mit über 40 Leuten regelmäßig überfüllt. Obwohl man ja eine Anonymus Gruppe besuchte, also etwas das man nicht unbedingt offen ausspricht wurde es gern erwähnt. Ein wenig erinnerte es mich daran wie man von seiner Arbeit spricht. „Ich bin Programmierer“ und „Ich bin Co-Abhängig“ sagten diese Leute gern mit dem selben Tonfall, etwas auf das man eventuell sogar Stolz ist. Spannend war auch das viele dieser Leute eigentlich eher extreme egoistische oder narzisstische Züge aufwiesen. Sie entschuldigten dieses Verhalten dann gern mit „Ich bin Co-Abhängig und muss ja schließlich lernen mehr auf mich zu schauen!“ Zu erwähnen ist noch das über die Hälfte der Betroffenen sich selbst mit der Co-Abhängigkeit diagnostiziert hatten. Es lag keinerlei therapeutische Diagnose hinter dieser Vermutung.

Ich will damit auf keinem Fall wirklich Betroffenen Co-Abhängigen absprechen, dass sie unter ihrer Abhänigkeit leiden. ich möchte damit nur klarstellen, dass man sich deutlich lieber mit einer Co-Abhängigkeit identifiziert als mit einer Borderline-Störung.

Bei Angehörigen von Borderlinern findet man erstaunlich viele Menschen, die sich selbst als Hochsensibel, Co-Abhängig oder vom Helfersyndrom betroffen bezeichnen. Das Leid das sie in einer Borderline-Beziehung erfahren haben bringt sie häufig zu der Vermutung. Zumindest bei den unzähligen Hochsensiblen  glaube ich, dass viele Hochsensibel mit „Ich bin überdurchschnittlich einfühlend und leide deswegen ganz besonders unter der Borderline-Beziehung“ verwechseln.

Problematisch ist, dass die Muster Helfersyndrom, Co-Abhängigkeit oder Dependente Persönlichkeitsstörung auf den ersten Blick eine perfekte Ergänzung zur Borderlinepersönlichkeit wiederspiegelt.

 

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