Gefühl der Zerissenheit

Borderline: Zerissenheit
Borderline: Zerissenheit

Stell Dir vor Du hast unheimliche Lust auf Schokolade, weißt aber auch das Du Schokolade auf den Tod nicht ausstehen kannst. Ein Widerspruch und deswegen nicht möglich? So etwas erleben Borderliner jeden Tag. Ein Gefühl der Zerrissenheit das kaum auszuhalten ist. Besonders macht es sich in Beziehungen bemerkbar. Dem Wunsch nach inniger Nähe (Symbiose), steht die wahrgenommene Gewissheit gegenüber, diese Nähe nicht ertragen zu können.

Dieses Gefühlschaos ist nach Außen sehr gut zu erkennen. Einerseits versucht der Borderliner Nähe herzustellen und sucht extrem den Kontakt, nur um dann kalt und emotionslos zu reagieren. Was auf den ersten Blick wie ein grausames Spiel auf Kosten des Partners aussieht, ist in Wirklichkeit pure Verzweiflung und  der Versuch die echten Bedürfnisse zu befriedigen, oder sich selbst zu schützen.

Was das Dilemma noch vervollständigt ist, dass der Partner in dieser Situation nichts – und damit meine ich wirklich nichts, unternehmen kann um den Betroffenen zu helfen. Egal wie darauf reagiert wird, werden bei der Borderline-Persönlichkeit Muster aktiviert. Wenn man seinem Wunsch nach Nähe nachkommt fühlt er sich schnell eingeengt und verschlungen, was eine Panik in ihm auslöst. Wenn man seinen Wunsch auf Distanz jedoch respektiert kommt es zu Verlassens Ängsten und das der Partner sich nicht bemühen will.Eine Lösung aus diesem Dilemma gibt es nicht wirklich. Diese Zerrissenheit wird einen Borderliner ewig begleiten. Man kann jedoch lernen mit diesen Situationen besser umzugehen. Radikales Akzeptieren (aus dem DBT-Programm) ist dafür der Schlüssel. Man akzeptiert dass diese chaotisch gegensätzlichen Gefühle zur selben Zeit da sein können. Anstatt sich nun dagegen zu wehren und sich zu Entscheidungen zu zwingen, nimmt man die Situation an wie sie ist und vertraut darauf dass sich diese Not wieder auflöst. Wenn man nämlich nüchtern auf ähnliche Situationen zurück schaut, geht auch diese Zerrissenheit vorbei. Hinderlich dafür ist jedoch meist die Impulsivität des Betroffenen der sich selbst zu einer schnellen Lösung zwingt. Als Partner bleibt einem in diesem Fall nichts anderes übrig als die Situation ebenfalls auszuhalten und mit Verständnis auf diese Widersprüchlichkeit zu reagieren.

 

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Gefühlswelt in einer Borderlinebeziehung

Eigene Erfahrungen meiner Gefühle in Beziehungen:

Ich habe eine gestörte Wahrnehmung was mich selbst betrifft. Ich kann die meiste Zeit nichts in mir wahrnehmen. Gefühle sind nicht greifbar. Wenn andere Menschen beschreiben können was gerade in Ihnen vorgeht (z.B Müdigkeit, Freude, Lust), ist es für mich wie als würde ich ein leeres Blatt Papier anschauen. Es ist einfach NICHTS in mir was ich wahrnehmen kann.

Wenn ich jedoch in einer frischen Beziehung bin, dann werde ich überschwemmt von positiven Gefühlen. Bildlich gesehen erinnert es ein wenig an einen Ertrinkenden der plötzlich einen Baumstamm im Wasser findet an dem er sich klammern kann. Durch die starke Verbindung zu meiner Partnerin (Symbiose in der Idealisierung) ist es als würde ich durch sie die Möglichkeit haben Zugang zu mir selbst  finden. Ich empfinde Ihre Gefühle wie meine eigenen.

Borderline: Liebe – Gefühle spiegeln
Borderline: Liebe – Gefühle spiegeln

In dieser Phase der Beziehung klammere ich mich an diesen Gefühlen und ich mache alles damit ich dieses Empfinden aufrecht erhalten kann. Ich weiß sehr genau was meine Partnerin von mir erwartet. Wenn ich Zugang zu einer Person habe, was in einer Symbiose natürlich der Fall ist, dann weiß ich auch unbewusst Ihre Sehnsüchte und „füttere“ sie mit genau diesen Wünschen.  Auf diese Weise manipuliere ich sie, damit die Funktion die sie inne hat aufrecht erhalten werden kann. Ich mache dies nicht bewusst. Mein Handeln ist impulsiv und unterliegt einem gewissen Automatismus. Diese Phase in der Borderlinebeziehung ist der gewöhnlichen Phase des „Verliebtseins“ sehr ähnlich. Ich denke sie ist jedoch wesentlich intensiver und bedeutet weit mehr als das was man für gewöhnlich als „Schmetterlinge im Bauch“ kennt. In der Idealisierung und dem damit verbundenem Wunsch nach Symbiose fühle ich mich „Eins“ mit meiner Partnerin. Ich weiß wirklich nicht mehr wo ich aufhöre und sie anfängt. Ich fühle mich durch sie komplett und mit ihr zusammen als eine Identität.

Diese Verbindung ist jedoch nicht dauerhaft aufrecht zu erhalten. Wenn das Bild des Eins sein zu bröckeln beginnt, dann greifen die anderen Muster in mir. Es stellt sich die Angst ein Verschlungen zu werden. Es entsteht die Panik mich selbst zu verlieren und keine Kontrolle mehr über mich zu besitzen. Ich erkenne, dass meine Partnerin nur ein Mensch ist und dass ich es nicht ertragen kann wenn mir ein Mensch zu Nahe ist.  Die Mauern die ich im laufe der Zeit um mich herum errichtet habe dienen meinem Schutz. Menschen können mich für gewöhnlich nicht verletzen. In  einer Beziehung werde ich jedoch angreifbar, da Nähe und Verbundenheit etwas ist was man mir auch wieder entziehen kann. In dieser Phase entstehen die panischen Ängste verlassen zu werden. Um diese Panik in Griff zu bekommen, beginne ich meine Partnerin abzuwerten. Die positiven Gefühle die ich zuvor hatte sind auf einen Schlag weg und an ihrer Stelle ist wieder dieses unerträgliche Gefühl der Leere. Egal was meine Partnerin nun auch unternimmt um mich zu unterstützen, sie wird mich nicht mehr erreichen, denn ich kann nichts mehr fühlen. Diese Leere ist so schrecklich, dass ich nun versuche Gefühle in mir zu erzwingen. Am liebsten wären mir natürlich schöne Gefühle, wie sie zu Beginn der Beziehung existierten, aber ich kann mir diese postiven Gefühle leider nicht erzwingen. Negative Gefühle kann ich jedoch nach belieben hervorrufen. Also beginne ich Streit zu provozieren. Ärger, Wut und Trauer sind Empfindungen die diese innere Leere für kurze Zeit auffüllen können. Meine Partnerin muss mir keinen sichtlichen Grund liefern um abgewertet zu werden. Ich suche solange bis ich etwas finde, egal wie gering der Auslöser zu sein scheint. Sollte wirklich nichts da sein, dann bringe ich sie dazu, dass sie die Beziehung beendet. Wichtig ist für mich, dass ich mich selbst nicht in der „Schuld“ sehen muss. Schuldgefühle kann ich ebenso wie die Leere nicht ertragen und so projektiere ich meine Wut, die ich mir selbst gegenüber empfinde in sie. Egal was sie auch unternimmt, sie wird für mich immer die Schuldige sein warum die Beziehung nicht funktionierte.

Es kommt nun zur Trennung. Anfangs sind noch negative Gefühle da, die ich wahrnehmen kann. Alles was schön war in der Beziehung ist für mich nicht mehr vorhanden. Trauer, Wut, Schmerz ist auch für mich etwas das ich nicht gerne erleide, aber alles ist besser als diese Leere zu spüren. Darum klammere ich mich an den Schmerz genauso intensiv wie zuvor an den positiven Gefühlen. Meine Partnerin ist nun eine Person die nur mein schlechtestes will und dadurch das ich sie hassen kann gewinne ich an Stabilität. Wenn diese Gefühle jedoch auch verschwinden stellt sich wieder dieses schreckliche Gefühl der Leere ein. Wieder bin ich in der Situation diese Leere aufzufüllen. Bevorzugter weise natürlich mit positiven Gefühlen aus einer erfüllenden Beziehung. Falls dieses Gefühl jedoch mit der Partnerin wieder hergestellt werden kann, so werden ab jetzt die Abstände zwischen Idealisierung und Abwertung immer kürzer. Eine wirklich perfekte Symbiose wie zum Beginn der Beziehung ist nicht mehr herstellbar auch wenn ich es immer wieder versuche bis ich es wirklich als Gescheitert ansehe. Irgendwann versuche ich nur noch den Hass möglichst lange aufrecht zu erhalten. Nur das ist der Grund warum ich auch nach einer gescheiterten Beziehung gerne noch hin und wieder den Kontakt zu meiner Ex-Beziehung suche.

Erst wenn ich in einer neuen Partnerschaft bin, oder wenn ich keine Möglichkeit habe meine Ex-Partnerin zu erreichen, ist meine vorhergegangene Beziehung wirklich für mich abgeschlossen. Ihre Funktion ist dann für mich nicht mehr erforderlich.

 

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