Angst ist grundsätzlich erst mal eine vollkommen normale und dringend benötigte Reaktion des Körpers auf Bedrohung.
Ein Mensch sichert durch Angst sein Überleben. Angst bewirkt, dass im Körper eine größere Menge Adrenalin freigesetzt wird, was Herzschlag und Atmung erhöht. Dies ist nötig, um die bevorstehende Stesssituation (Flucht oder Kampf), die durch das Objekt der Angst ausgelöst wird, zu meistern.
Angst ist also vorrangig eine Schutzreaktion des Körpers auf eine bedrohliche Situation und ein, als unangenehm empfundener, Gemütszustand, der sich meist auch durch körperliche Begleiterscheinungen bemerkbar macht.
Jeder Mensch kennt Ängste. Kein Mensch kann von sich behaupten, noch nie Angst in seinem Leben gehabt zu haben. Durch äußere Einflüsse, schlimme Erlebnisse und psychischen Problemen kann sich die Angst jedoch zu einer Angststörung entwickeln.
Angst ist dann als unangemessen einzustufen, wenn sie sich durch folgende Charakteristika auszeichnet (nach Margraf):
- Die Angst ist unangemessen stark oder anhaltend.
- Es gibt keinen ausreichenden Grund für die Angst, das heißt sie tritt ohne wirkliche Bedrohung auf.
- Die Angst kann nicht mehr kontrolliert oder ausgehalten werden.
- Die Angst verursacht Leid und/oder schränkt das Leben ein.
Ein bereits fortgeschrittenes Stadium krankhafter Angst kündigt sich durch folgende Symptome an (Quelle: Prof. Dr. Faust – Angststörungen):
- Ausgeprägte Erwartungsangst: „Angst vor der Angst“, die schon zuvor und immer früher den Betreffenden immer stärker beeinträchtigt oder gar lähmt.
- Zunehmendes Vermeidungs- und Rückzugsverhalten: Wenn eine Situation oder ein Ort Angst machen, versucht man dieser Situation auszuweichen oder den Ort zu meiden. Das ist normal. Wenn es sich aber um etwas Alltägliches handelt, das den Angstkranken in seinem verhängnisvollen Griff hält, dann neigt der Betroffene in seiner Verlegenheit oder gar unbeherrschbaren Furcht dazu, sich unter konstruierten oder zumindest objektiv nicht haltbaren Vorwänden ganz aus dem Alltag zurückzuziehen. Dadurch löst er scheinbar dieses Angstproblem, verliert aber immer mehr an zwischenmenschlichem Kontakt, gerät langsam in Rückzugsgefahr, Vergessenheit und damit Isolation.
- Selbstbehandlungsversuche mit Genussmitteln (Alkohol, Nikotin, Koffein), Medikamenten (Beruhigungs-, Schlaf- und Schmerzmittel), ggf. Rauschdrogen (Haschisch, Kokain, Opiate, Designerdrogen usw.). Bei dem „chemischen Lösungsversuch unüberwindbarer Angst“ ist nicht nur die drohende Suchtgefahr zu beachten, sondern auch die schleichende Entwicklung einer so genannten „psychologischen Krücke“, d. h. der Betroffene bewältigt den Alltag nur noch mit „chemischer Hilfe“ und erlahmt immer mehr bei dem Versuch, die Probleme durch eigene Willenskraft zu lösen.
- Überkompensationsversuche im zwischenmenschlichen, beruflichen und sogar Freizeit- bzw. sportlichen Bereich: Partner, Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft, Arbeitsplatz bis hin zum bewussten Gefahrentourismus oder Gefahrensport.
Im ICD10 werden Angststörungen im Kapitel F4 (Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen) klassifiziert.
Man unterscheidet ganz allgemein die:
- angemessene, also „normale“ Angst
- die Angststörungen auf organischer Grundlage
- Angstzustände auf psychischer Grundlage
- primäre Angststörungen.
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist unter anderem durch die, bei ihr meistens vorkommenden, frei flottierenden Ängste, charakterisiert. Diese Ängste sind im besonderen:
- Die Angst vor dem Verlassenwerden
- Die Angst davor verschlungen zu werden
- Die Angst vor Kontrollverlust.
Mit der Borderline-Störung sind also bereits Angststörungen integriert, wenn nicht sogar der zentrale Affekt (Dulz B (1999). Wut oder Angst – welcher Affekt ist bei Borderline-Störungen der zentrale?).Borderliner erfüllen also in der Regel bereits die Kriterien von Angstzuständen auf psychischer Grundlage.
Da sie jedoch zusätzlich noch weitere Ängste und Phobien entwickeln können gelten Angstneurosen als häufig verbreitete Komorbidität zur Borderline-Erkrankung. Es handelt sich dabei meist um primäre Angststörungen wie:
- das Panik-Syndrom
- die Agoraphobie
- die Sozialphobie
- die spezifischen Phobien
- die Zwangsstörungen
- die posttraumatischen Belastungsreaktion bzw. -störungen.
Wenn sich Betroffene in psychotherapeutische Behandlung begeben, können Betroffene die Fähigkeit entwickeln, ihre Ängste zu kontrollieren.
Dabei können bestimmte Entspannungstechniken helfen, die dazu dienen, die körperlichen Reaktionen zu minimieren. In bestimmten, schwereren Fällen kann Traumaarbeit sinnvoll sein. Zusätzlich kann eine zusätzliche Behandlung mit Medikamenten helfen, ist jedoch nur im Bedarfsfall, durch einen Fachmann zu empfehlen.
Was sie noch interessieren könnte:
Borderline – Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)
Die frei flottierende Angst bei Borderline
Weitere Links zum Thema (ausserhalb von Grenzwandler.org):
Prof. Dr. Faust: Angststörungen
Birger Dulz: Wut oder Angst – welcher Affekt ist bei Borderline-Störungen der zentrale?