Borderline und Substanzmissbrauch

Borderline: Selbstschädigendes Verhalten - Substanzmissbrauch
Borderline: Selbstschädigendes Verhalten – Substanzmissbrauch

Substanzmissbrauch ist ein weit gefasster Begriff, der eine schädliche oder unangepasste Verwendungsweise von Substanzen beschreibt, die sich körperlich, psychisch oder sozial schädlich auf den Konsumenten auswirkt. Unter Substanzen versteht man dabei alle Mittel, die in den natürlichen Ablauf des Körpers eingreifen und Stimmungen, Gefühle und Wahrnehmungen beeinflussen. Als Droge bezeichnet man jede Substanz, die in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag. Dieser erweiterte Drogenbegriff erfasst nicht nur Cannabisprodukte, Halluzinogene, Stimmulanzien, Schnüffelstoffe, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Alkohol, Tabakerzeugnisse, Schmerzmittel und Opiate. Er bezieht sich auch auf Alltagsdrogen wie z. B. Kaffee und Tee und grenzt Drogen einerseits sowie Genuss- und Lebensmittel andererseits nicht mehr trennscharf voneinander ab (DHS 2003). Allgemein versteht man unter dem Begriff „Drogen“ „illegale Drogen“.

Man unterscheidet zwischen Genuss, Missbrauch und Abhängigkeit.

Kennzeichnend für den Genuss ist, dass man die Substanz nicht unbedingt braucht, es aber gerne mal konsumiert, weil es uns aufgrund seiner angenehmen Wirkung eine kurzfristige Befriedigung gibt.

Bei einer körperlich, psychisch oder sozial schädlichen Verwendungsweise von Substanzen oder bei einem selbstschädigenden Gebrauch, spricht man von Missbrauch. Häufiger Missbrauch ist fast immer Ausdruck einer Anzahl ungelöster Probleme, von denen abgelenkt oder ausgewichen werden soll. Wenn sich der Substanzmissbrauch als vorrangige Vermeidungsstrategie einschleift, kommt es zur Gewöhnung. Die psychische und/oder körperliche Bindung zur Substanz wird fester. Es muss dabei aber noch keine Abhängigkeit vorliegen.

„Sucht ist ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen des Individuums“ (K. Wanke, in Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.), Süchtiges Verhalten, 1985, S. 20). Der Begriff „Sucht“ wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch den Begriff der „Abhängigkeit“ ersetzt, die bekanntesten sind Alkohol- , Medikamenten- und Drogenabhängigkeit.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung wird als eine der wichtigsten komorbiden Störung von Abhängigkeitserkrankungen angesehen. Umgekehrt ist die Suchterkrankung neben zahlreichen anderen psychischen Störungen eine bei einem Borderline-Syndrom häufig diagnostizierte komorbide Störung. Die Komorbidität ist so hoch, dass Substanzmissbrauch, in der Internationalen Klassifikation nach DSM IV, als potenziell selbstschädigende Impulshandlung bei den diagnostischen Kriterien für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung erwähnt wird.

Man kann auf fast alles eine Abhängigkeit entwickeln. Wenn man von Sucht spricht, meint man meist die Abhängigkeit nach stofflichen Substanzen, für gewöhnlich Drogen oder Alkohol. Man kann jedoch auch eine „nichtstoffliche Sucht“ entwickeln. Die stoffungebundenen oder nichtstofflichen Süchte werden auch Verhaltenssüchte genannt.

Hier äußert sich die Abhängigkeit in bestimmten Verhaltensweisen, die ebenfalls die Gesundheit schädigen oder schwer wiegende soziale Folgen haben können. Man spricht auch von den neuen Süchten im Alltag. Die bekanntesten sind: Spielsucht, Kaufsucht, Arbeitssucht, online Sucht. Auch Essstörungen werden häufig bei den nichtstofflichen Süchten genannt, was jedoch nicht korrekt ist, da es sich dabei um eigenständige psychische Störungen handelt.

Bei Borderlinern fällt auf, dass sie häufig zwischen den verschiedenen Süchten wechseln. Unterstützt wird diese These durch Erfahrungen, die zeigen, dass im Verlauf der Therapie bei Borderline patienten die Drogenprobleme mal mehr mal weniger im Vordergrund stehen können.

Borderliner weisen eine erhöhte Suchtanfälligkeit auf, was sich nicht nur auf stoffliche Substanzen beschränkt. Sie zeigen bei oft ein sehr auffälliges Suchtverhalten, mit abwechselnden Phasen von exzessivem selbstzerstörerischen Substanzmissbrauch und Phasen von Abstinenz. Dieser Substanzmissbrauch kann bei Borderlinern als eine Art „Selbstheilungsversuch“ angesehen werden.

Mit dieser „Selbstmedikation “versuchen Betroffene die schwer aushaltbaren Symptome wie das Gefühl der Leere, die frei flottierenden Ängste, Dissoziationen zu kompensieren. Es kommt beispielsweise häufig zu Missbrauch von Cannabis als Mittel gegen depressive Zustände, Angst und Schlaflosigkeit. Diese Vermeidungsstrategie ist jedoch ebenso dysfunktional wie die anderen Selbstschädigenden oder selbstverletzenden Methoden des Druckabbaus. Kurzfristig kann es zwar zu einer Linderung des als bedrohlich erlebten Spannungszustandes kommen, doch langfristig gesehen ist der Schaden der bei entsteht, bis hin zu einem sich entwickelnden Abhängigkeitssyndroms.

Die schwache „Ich-Struktur“, die bei der Borderline Persönlichkeitsstörung charakteristisch ist,  kann bei Rauschzuständen, insbesondere bei Halluzinogenen wie LSD, zu negativen Erinnerungen (Flashbacks) oder Phantasien kommen und abgewehrtes, verdrängtes ins Bewusstsein gelangen. Dies kann schwere psychische Kriesen (ähnlich einer Psychose) beim Betroffenen verursachen.

Wer regelmäßig Suchtmittel einsetzt um Probleme, oder innere Spannungszustände besser aushalten zu können, wird früher oder später nicht mehr in der Lage sein sie „ohne sie“ zu bewältigen. Dies führt unweigerlich in die Abhängigkeit. Der Übergang zwischen Genuss, Missbrauch und Abhängigkeit ist fließend und findet meist unbewusst statt. Es ist typisch für Abhängige als Letzter die eigene Sucht zu bemerken. Der Weg zur Abhängigkeit ist ein schleichender Prozess und entwickelt sich manchmal über Jahrzehnte. Ob stoffliche oder nichtstoffliche Süchte – der Beginn einer Abhängigkeit ist fast immer unspektakulär.

Auch wenn Borderline die vorrangige Störung ist und es sich beim Substanzmissbrauch häufig um eine Folge der Persönlichkeitsstörung handelt, steht bei schwerer Suchtproblematik mit schädlichen körperlichen, sozialen oder psychischen Folgen eine Suchttherapie im Vordergrund. Bei Komorbidität von Drogenabusus mit weiterer Psychopathologie ist eine schlechtere Prognose bei der Therapie nachgewiesen worden (O´Neill et a. 2003).  Erst nach erfolgreicher psychischer Stabilisierung nach dem Drogenentzug ist es sinnvoll, mit einer spezifischen, systematischen Borderline-Therapie zu beginnen.

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Borderline: Komorbidität – Essstörungen

Nach einer Studie (Zanarini et al., 1998b) leiden ca 53% der an Borderline erkrankten Menschen auch an einer Essstörung. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch wesentlich höher. Ich habe in meinen Klinikaufenthalten und den Gruppen die ich besuchte, noch keinen Borderliner getroffen der nicht zumindest ein gestörtes Essverhalten aufgewiesen hat. Essstörungen sind damit neben Depressionen die am häufigsten auftretende Komorbidität.

Borderline - Selbstschädigendes Verhalten - Essstörungen
Borderline – Selbstschädigendes Verhalten – Essstörungen

Nahrungsaufnahme ist ein Grundbedürfnis, das unser Überleben sichern soll. Dies ist der Hauptzweck des Essens. Durch Essen und schlafen sichern wir unseren Energiehaushalt.

In unserer heutigen Überflussgesellschaft ist Essen jedoch wesentlich mehr. Essen ist Ausdruck der Persönlichkeit und kulturelles Gut. Der im Sprachgebrauch gängige Satz „Liebe geht durch den Magen“ oder der Begriff „Kummerspeck“ zeigt, wie stark das Essen zudem mit unseren Gefühlen verbunden ist.

Bei Essstörungen ist das Essverhalten gestört. Aber ein gestörtes Essverhalten (allein) muss noch nicht auf eine Essstörung hinweisen. Der Übergang von auffällig zu krankhaft ist fließend. Wenn die Verweigerung von Nahrung, oder zügellose Essattacken jedoch zum wichtigsten Mittel wird um Stress und Kummer zu bewältigen, wenn Essen zur Lösung seelischer Probleme oder als Ausweg, Flucht oder Ersatz für verdrängte Gefühle und Bedürfnisse funktionalisiert wird, hat man in der Regel ein ernstzunehmendes, psychisches Problem.

Maßgebliche Ursachen von Essstörungen sind die Folgen des in der Gesellschaft so bedeutsam gewordenen Schlankheitsideals sowie individuelle Faktoren. Risikofaktoren für Essstörungen sind ein geringes Selbstwertgefühl und eine gestörte Körperwahrnehmung.

„Magersüchtige essen zu wenig“, „Übergewichtige essen zu viel“. Das sind einige der gängigen Vorurteile, die essgestörten Menschen entgegengebracht werden. So einfach funktioniert das ganze jedoch nicht. An einer Essstörung zu leiden bedeutet, unter einer psychosomatischen Erkrankung mit Suchtcharakter zu leiden. Essstörungen können einen verzweifelten Lösungsversuch darstellen mit seelischem Druck zurecht zu kommen. Bei Borderlinern kann es sich zudem, z.B. bei Nahrungsverweigerung, um Selbstbestrafung oder Selbstschädigens Verhalten handeln.

Es sind viele verschiedene Formen von Essstörungen bekannt. Die am meisten verbreiteten und bekanntesten sind:

Alle Essstörungen haben eines gemeinsam:

  • Das Essen ist keine Selbstverständlichkeit mehr, die sich nach Hunger und Appetit richtet, sondern geht mit dauernder Planung und Überlegung einher.
  • Das Essen erzeugt Gefühle von Scham und Schuld.
  • Der gestörte Umgang mit dem Essen erzeugt Folgeerkrankungen und Begleiterscheinungen, die sich negativ auf die Lebensführung des/der Betroffenen auswirken, wie Depressionen, sozialer Rückzug oder körperliche Einschränkungen.

Das stände Gedankenkreisen um Essen oder Nichtessen bestimmen mit Fortschreiten der Essstörung immer mehr den Tagesablauf. Diese suchtartige Fixierung hat nicht nur Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Betroffenen, sondern führt häufig auch zu schweren körperlichen Erkrankungen die bleibende Schäden verursachen können. Essstörungen können auch tötlich Enden, darum sollte man sie durchaus ernst nehmen. Ein gestörtes Essverhalten allein ist noch keine Krankheit. Aber es kann auf eine Essstörung hinweisen. Deshalb sollte man bei Auffälligkeiten, wachsam zu sein und bei Verdacht einen Arzt, Psychologen oder Therapeuten aufsuchen. Die Diagnose „Essstörung“ können nur Fachleute stellen.

 

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Magersucht (Anorexia nervosa)

Die Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine psychisch bedingte Esstörung mit selbst herbeigeführter Gewichtsabnahme, durch Verminderung der Nahrungsaufnahme, als Leitmotiv. Die Magersucht ist im ICD10 unter F50.0 Anorexia nervosa klassifiziert. Magersucht ist eine häufig vorkommende Komorbidität zu Borderline. Bis zu 21% der an Borderline-Erkrankten weisen diese Essstörung auf.

Borderline: Esstörung: Magersucht
Borderline: Esstörung: Magersucht

Magersüchtige haben eine krankhafte Furcht, dick zu werden oder es zu sein. Die meisten Erkrankten leiden an einer Körperschemastörung, aufgrund derer sie sich, trotz Untergewichts, als zu dick wahrnehmen. Ihr Selbstwertgefühl hängt stark von der Fähigkeit ab, das Körpergewicht kontrollieren zu können. Ähnlich wie bei Bulimikern kreisen ihre Gedanken stets um die Themen Ernährung, Gewicht und Figur.

Das Hauptunterscheidungsmerkmal (Differentialdiagnose) zur Bulimie ist das Körpergewicht. Eine Magersucht wird diagnostiziert, wenn ein selbst herbeigeführtes Untergewicht besteht und der Body-Mass-Index (BMI) unter 17,5 liegt. Es liegt meist Unterernährung unterschiedlichen Schweregrades vor, was die Magersucht zu einer schweren, unter Umständen tödlichen Erkrankung macht. Das extreme Untergewicht kann zu schweren körperlichen Funktionsstörungen führen. Unter anderem zu:

  • Niedriger Blutdruck und Herzrhythmusstörungen, woraus ein plötzlicher Herztod folgen kann.
  • Störungen der Elektrolyte (besonders gefährlich: Hypokaliämie mit Herzrhythmusstörungen), Unterzuckerung, Blutarmut, Leukozytopenie und Thrombozytopenie.
  • Zahnausfall
  • Osteoporose mit erhöhtem Risiko Knochenbrüche zu erleiden.
  • Nierenversagen
  • Blasenschwäche

Bis zu 15 % der Betroffenen sterben. Entweder durch Komplikationen wie Herzstillstand oder Infektionen, oder aber durch Suizid. Ein Teil der überlebenden Patienten leidet zeitlebens an Langzeitfolgen wie Osteoporose oder Niereninsuffizienz.

Bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät ist die Abfolge der pubertären Entwicklung gestört. Es kann dazu kommen, dass die Geschlechtsreife verzögert wird, oder ganz ausbleibt. Bei jungen Mädchen bleibt dann die Entwicklung der weiblichen Brust aus, bei Jungen ist die Entwicklung von Penis und Hoden gestört.

Bei magersüchtigen Frauen bleibt häufig die Periode aus (Amenorrhoe). Dies kann in manchen Fällen durch die Einnahme der Antibabypille verdeckt werden, doch kann dies den gestörten Hormonhaushalt in Ordnung bringen.

Es wird bei der Magersucht unterschieden zwischen dem sogenannten „restriktiven Typus“, bei dem (nur) die Nahrungsaufnahme verringert wird, wobei besonders Nahrungsmittel, die als „fett machend“ angesehen werden, weggelassen werden und einem der Bulimie ähnlichen „Purging-Typus“ (engl. to purge = abführen), bei dem ähnlich wie bei der Bulimie außerdem die Gewichtsreduktion, beispielsweise durch selbst ausgelöstes Erbrechen, missbräuchliches Einnehmen von Appetitzüglern, Laxantien (Abführmitteln) oder Diuretika, Verwendung von Klistieren oder exzessive sportliche Betätigung, beschleunigt werden soll.

Magersüchtige sind häufig extrem kälteempfindlich und ihre Körpertemperatur kann erniedrigt sein. Das kommt daher das durch das starke Untergewicht ihr Stoffwechsel gestört ist und ihnen das benötigte subkutane (unter der Bindehaut) liegende Fettgewebe fehlt.

Krankheitsverleugnung ist charakteristisch für die Magersucht. Macht man Magersüchtige auf ihre Störung aufmerksam reagieren sie häufig gereizt bis aggressiv und versuchen Ausreden für ihr Untergewicht vorzubringen. Dies hängt zu einem großen Teil mit der meist vorhandenen Körperschemastörung zusammen. Die Betroffenen nehmen sich selbst nicht als übergewichtig war, selbst wenn sie stark untergewichtig sind und neigen dazu andere für ihre gute Figur zu beneiden, obwohl sie viel dünner sind.

Ähnlich wie bei der Bulimie gibt es auch bei der Magersucht eine atypische Form der Erkrankung. Sie ist im ICD10 unter F50.1 Atypische Anorexia nervosa klassifiziert.

Es handelt sich dabei um ein Störungsbild, das einige Kriterien der Anorexia nervosa erfüllt, das gesamte klinische Bild jedoch die Diagnose Anorexia nervosa nicht rechtfertigt. Es kann zum Beispiel das Schlüsselsymptom, die deutliche Angst vor dem zu Dicksein, trotz eines erheblichen Gewichtsverlustes und gewichtsreduzierendem Verhalten fehlen. Die Diagnose ist bei einer bekannten körperlichen Krankheit, die ebenfalls zu Gewichtsverlust führt (z.B. Schilddrüsenerkrankungen), nicht zu stellen.

Aufgrund der schweren Folgen die eine längere Unterernährung mit sich bringt ist eine Psychotherapeutische Behandlung bei Magersucht dringend nötig. Je nach Schwere der Erkrankung kann eine stationäre Behandlung in einer entsprechenden Fachklinik nötig werden. Grundlage für eine erfolgreiche Therapie der Magersucht ist die Krankheitseinsicht des Betroffenen und der Wille etwas daran zu ändern. Ohne diesen Willen ist die Prognose äußerst ungünstig und ein Therapieerfolg kaum zu erwarten.

Oberstes Ziel der Therapie ist:

  • Normalisierung des Körpergewichts
  • Abbau von gegensteuernden Maßnahmen wie etwa das Erbrechen

Desweiteren:

  • Normalisierung des Essverhaltens
  • Normalisierung der Einstellung zu Lebensmitteln
  • Behandlung der verzerrten Körperwahrnehmung
  • Verbesserung der persönlichen Einstellung zur eigenen Person und zum eigenen Körper

In besonders schweren Fällen kann zunächst eine künstliche Ernährung erforderlich sein. Wichtig ist anschließend eine langsame Steigerung der Nahrungsaufnahme, um Unverträglichkeiten zu vermeiden.

 

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Bulimie

Der Begriff Bulimie (Bulimia nervosa – aus dem altgriech. Bouilimia = „Ochsenhunger“), bezeichnet allein streng genommen lediglich das Symptom des Heißhungers und wird dann auch als Hyperorexie (aus dem altgriech. Hyper =„über-“ und orexis =„Appetit“) bezeichnet. Häufig verwendet man auch den Begriff Ess-Brechsucht, was jedoch nur eine bestimmte (gängige Form) der Bulimie beschreibt.

Bei Borderlinern gilt die Bulimie als die am häufigsten auftretende komorbide Essstörung. Ca. 26% der an Borderline-Erkrankten erfüllen die Kriterien dieser Essstörung (Zanarini et al.,  1998b).

Borderline: Esstörung: Bulimie
Borderline: Esstörung: Bulimie

Wenn man von Bulimie spricht, hat man automatisch das Bild einer jungen Frau im Kopf die sich nach dem Essen übergibt. Dies ist jedoch eine stark beschränkte Vorstellung der Störung. Bulimie ist wesentlich mehr und es gibt unter den Betroffenen auch viele Männer.

Es handelt sich dabei um ein Syndrom, dass durch wiederholte Anfälle von Heißhunger und eine übertriebene Beschäftigung mit der Kontrolle des Körpergewichts charakterisiert ist.

Dabei ähneln viele psychische Merkmale der Magersucht (Anorexia nervosa), besonders die übertriebene Sorge um Figur und Gewicht. Anders als bei der Magersucht leiden die Betroffenen jedoch an heftigen Essanfällen die sie hinterher durch verschiedene Gegenmaßnahmen ungeschehen machen wollen. Anders als allgemein angenommen handelt es sich dabei nicht nur um absichtlich herbeigeführtes Erbrechen.

Man unterscheiden zwischen „Purging-Typ“ (engl. für „abführen, säubern, entfernen) charakterisiert durch:

  • selbst herbeigeführtes Erbrechen
  • Benutzung von Abführmitteln (Laxanzien), Harntreibenden Mitteln (Diuretika), Einläufen (Klistieren), Appetitzügler (Anorektika)  oder andere Medikamente die eine Gewichtsreduktion bewirken sollen.

Und dem „Non-Purging-Typ“ charakterisiert durch:

  • Extremes Fasten oder Diäten
  • Übermäßig viel Sport

Bulimiker haben eine krankhafte Furcht, dick zu werden. Häufig lässt sich bei Betroffenen eine frühere Episode einer Magersucht, mit einem Intervall von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren nachweisen. Die Betroffenen sind sich ihrer Erkrankung häufig selbst nicht bewusst. Die oben angeführten Gegenmaßnahmen werden von ihnen als alternative Diätmethode gesehen, die Essanfälle sind zu Beginn meist unauffällig.

Bulimiker sind auf den Körper und das Essen fixiert. Für ihre Essanfälle schämen sie sich und ekeln sich vor sich selbst. Dies fällt Angehörigen häufig nicht auf, denn aus Scham werden die oben genannten Gegenmaßnahmen meist verborgen oder getarnt. So kann es z.B. vorkommen, dass ein Betroffener vorgibt an diverse Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu leiden, um sein extremes Fasten zu verstecken. Dies muss nicht unbedingt vorsätzlich geschehen, es kann gut sein das die Betroffenen davon wirklich überzeugt sind und es selbst so wahrnehmen.

Da Bulimiker vom Gewicht her nicht auffallen, für gewöhnlich normalgewichtig, sportlich und schlank sind und nach außen hin ein normales Essverhalten zeigen (so sie denn in der Öffentlichkeit essen), können sie die Störung lange verbergen. Ihre Essattacken, die kennzeichnend für die Bulimie sind, erfolgen meist in aller Heimlichkeit, wenn sie alleine sind. Sollten sie in der Öffentlichkeit essen greifen sie häufig auf vegetarische, fettarme oder kalorienreduzierte Lebensmittel zurück.

Im ICD10 ist die Bulimie als F50.2 Bulimia nervosa klassifiziert.

Es gibt auch eine atypische Form der Bulimie (ICD10 – F50.3 atypische Bulimia nervosa).

Es handelt sich dabei um eine Störung, die im wesentlichen die Kriterien der Bulimia nervosa erfüllt, jedoch nicht alle, für die Diagnose Bulimia nervosa, benötigten Symptome aufweist. Zum Beispiel können wiederholte Essanfälle und übermäßiger Gebrauch von Abführmitteln auftreten ohne signifikante Gewichtsveränderungen zu bewirken, oder es fehlt die typische übertriebene Sorge um Körperform und Gewicht.

Bulimie wird in der Regel psychotherapeutisch behandelt. Je nach Schwere kann eine stationäre Behandlung in einer Klinik sinnvoll sein. Zu den Zielen einer Therapie gegen Bulimie gehört:

  • Normalisierung des Essverhaltens
  • Abbau von gegensteuernden Maßnahmen wie etwa das Erbrechen
  • Normalisierung der Einstellung zu Lebensmitteln
  • Verbesserung der persönlichen Einstellung zur eigenen Person und zum eigenen Körper

Da Sport bei Bulimie häufig als Gegenmaßnahme verwendet wird, sollte man darauf achten die Bewegung auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Auch wenn Sport grundsätzlich gesund ist, kann es für Bulimiker, auch wenn sie bisher nicht auf diese Form der Kompensation zurück gegriffen haben, zu Suchtverlagerungen kommen. Betroffene versuchen häufig ihren Kompensationsdrang durch die gesunden Aspekte sportlicher Betätigung zu rechtfertigen. Gefahr ist auf jedenfall geboten wenn ein Bulimiker täglich Sport machen „muss“ und unruhig wird, wenn er mal einen Tag aussetzten muss.

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Binge-Eating

Bei der  Binge-Eating-Störung (BES, engl. Binge Eating Disorder, vom engl. Binge = Gelage) handelt es sich um eine Essstörung, bei der es zu periodischen Heißhungeranfällen (Fressanfällen) mit Verlust der bewussten Kontrolle über das Essverhalten kommt. Bei den charakteristischen Essanfällen werden in der Regel viel zu große Portionen auffallend schnell herunter geschlungen. Meist greifen die Betroffenen dabei auf äußerst fettreiche und süße Lebensmittel zurück, die viele Kalorien enthalten.

Borderline: Esstörung: Binge Eating
Borderline: Essstörung: Binge Eating

Im Gegensatz zu Bulimikern versuchen Binge Eater nach dem Essen jedoch nicht, die übermäßige Kalorienzufuhr durch Gegenmaßnahmen zu kompensieren. Die Betroffenen erbrechen danach nicht und nehmen auch keine Medikamente (z.B. Abführmittel) ein, um ihr Gewicht zu halten. Sie verfallen nach dem Essanfall auch nicht in extreme Diäten, oder versuchen durch sehr viel Sport den Anfall „ungeschehen“ zu machen, wie es bei Bulimikern häufig der Fall ist. Im Gegenteil, es ist bei Menschen mit einer Binge-Eating-Störung durchaus häufig zu beobachten, dass sie körperlich weniger aktiv sind und wenig Sport betreiben. In ihrer Freizeit gehen sie lieber andern bewegungsarmen Hobbys und Freizeitbeschäftigungen,  wie z.B. Computerspielen, Fernsehen nach.

Da während des Essanfalls viel zu viele Kalorien aufgenommen werden, ist bei den Betroffenen das Risiko übergewichtig zu werden sehr groß. Ein vorausgesetztes Diagnosekriterium für die Krankheit ist Übergewicht jedoch nicht. Binge Eating kann auch bei Menschen mit Normalgewicht auftreten. Im Umkehrschluss hat auch nicht jeder Mensch der Übergewichtig ist, automatisch diese Essstörung.

Von allen bekannten Essstörungen ist die Binge-Eating-Störung die noch am wenigsten erforschte. Obwohl das Störungsbild bereits 1959 erstmals beschrieben wurde (Stunkard, 1959), ist die Binge-Eating-Störung bisher nicht mit eigenen diagnostischen Leitlinien in der ICD-10 aufgeführt und wird deshalb unter F 50.9: „Nicht näher bezeichnete Essstörungen“ oder unter F 50.4 „Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen“ subsumiert. Auch wenn die Störung bisher keine Erwähnung im DSM-IV  findet, wurde 1994 erstmals Forschungskriterien für die BES formuliert. Für die diagnostischen Kriterien der Binge-Eating-Störung wurden dort folgende Symptome aufgestellt:

  • mindestens zwei Essanfälle pro Woche über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten
  • Kontrollverlust während der Nahrungsaufnahme mit Verlust des Sättigungsgefühls
  • sehr hohe Kalorienzufuhr bei einem Essanfall
  • extrem hastiges Essen („schlingen“)
  • Essen bis zu einem starken Völlegefühl
  • der Essanfall wird nicht durch starken Hunger ausgelöst
  • nach dem Essanfall treten Schuld- und Schamgefühle auf, teilweise bis zur Depression
  • die Betroffenen leiden unter den Essanfällen

Menschen, die an einer Binge-Eating-Störung leiden, sind häufig extrem auf das Essen fixiert. Während des Essanfalls verlieren sie das Gefühl und die Kontrolle. Sie essen, ohne hungrig zu sein, und essen weiter, auch wenn sie eigentlich satt sein müssten. Hinterher schämen sich die Betroffenen für die Anfälle, fühlen sich schuldig, verachten sich und lehnen sich und ihren Körper ab. Zwischen den Essanfällen gelingt es den Betroffenen meist ein völlig normales Essverhalten an den Tag zu legen. Sie essen mal sehr kontrolliert, dann jedoch wieder extrem viel und unkontrolliert.

Studien lassen den Schluss zu, dass die Essanfälle ausschließlich psychisch bedingt sind und überwiegend durch negative Gefühle, Stress oder quälende Langeweile ausgelöst werden. Experten vermuten, dass mit den Essanfällen unangenehme Situationen oder Emotionen unterdrückt werden sollen. In diesem Fall ist Binge Eating also eine Form von Abwehrmechanismus oder um eine behelfsmäßige Vermeidungsstrategie.

Binge Eating wird ähnlich wie die Bulimie mit einem psychotherapeutischen Ansatz behandelt. Je nach schwere kann eine stationäre Behandlung in einer Klinik sinnvoll sein. Bei der Behandlung hat sich vor allem die Verhaltenstherapie als hilfreiche Therapieform erwiesen. Die Therapie der Binge-Eating-Störung hat zwei Haupt-Behandlungsziele:

  1. Normalisierung des Essverhaltens und des Gewichts
  2. Behandlung der zugrunde liegenden psychischen Störung

Da es bei Binge Eating meist auch zu extremen Übergewicht kommt ist Sport und Bewegungstherapie ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgsversprechenden Behandlung. Zum einen weil Sport und Bewegung sich als hilfreich bei Depressionen herausgestellt hat, aber auch weil dort eventuell vorhandenen körperlichen Schäden entgegengewirkt werden kann.

Hauptziel der Therapie ist jedoch die Behandlung von Selbstwertdefiziten, zwischenmenschlichen Problemen und die Normalisierung des Essverhaltens.

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Borderline und Depression

Was ist Depression?

Borderline und Depression
Borderline und Depression

Hinter dem Begriff  Depression (leitet sich vom lateinischen deprimere  = „niederdrücken“ ab) verbirgt sich eine affektive psychische Störung mit Zuständen psychischer Niedergeschlagenheit als Leitsymptom. In der aktuellen Revision des ICD10 lautet die genaue Bezeichnung depressive Episode oder rezidivierende (wiederkehrende) depressive Störung.

Kurze depressive Verstimmungen, die meist einige Stunden oder einzelne Tage andauern,  kennt vermutlich jeder. Von Depression, im Sinne einer psychischen Störung oder psychischen Erkrankung, spricht man erst, wenn depressive Verstimmung und andere Symptome einer Depression über mindestens 14 Tage anhalten und mit einer deutlichen Beeinträchtigung verbunden sind.

Man unterscheidet zwischen Unipolare (monopolare) Depression (Major Depression – Endogene Depression ) und Bipolare Depression (besser bekannt unter dem Begriff manisch-depressive Erkrankung).

Wenn man allgemein von Depression spricht, meint man die unipolare Form (Major Depression) von der zwei Drittel aller Erkrankten betroffen sind.

Symptome:

Eine Depression zeichnet sich durch folgende Symptome aus:

  • Niedergeschlagenheit
  • Antriebsverlust
  • Interessensverlust
  • Konzentrationsprobleme
  • Gedanken und Gefühle, wertlos zu sein
  • Wiederkehrende Suizidgedanken
  • Appetitlosigkeit
  • Schlafstörungen
  • Müdigkeit und Energielosigkeit
  • starke Verminderung sexueller Lust
  • Schuldgefühle
  • Unfähigkeit  Entscheidungen zu treffen

Vor allem die drei erstgenannten Hauptsymptome der Depression wirken sich schwerwiegend auf den Betroffenen aus. Es fehlt an Antrieb alltägliche Dinge zu verrichten. Der Betroffene verliert das Interesse an allem was einen sonst Freude machte oder was einem ansonsten wichtig war im Leben. Man isoliert sich zusehends und nimmt am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teil.

Verbreitung:

Obwohl sich diese Krankheit, in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen, zu einer der am weitesten verbreiteten Krankheiten in den Industriestaaten entwickelt (Im Jahr 2010 belegte die Diagnose „Depressive Episode“ (F32) erstmals den traurigen Spitzenplatz bei den Fehltagen, noch vor Rückenschmerzen und Erkältungen (Quelle: Techniker Krankenkasse).), blieb sie lange ein Tabuthema. Depressionen passen einfach nicht zu den Anforderungen der modernen Gesellschaft, reibungslos zu funktionieren. Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Jeder fünfte Bundesbürger erkrankt ein Mal im Leben an einer Depression. Andere Quellen gehen sogar von einer deutlich höheren Zahl aus (bis zu jeder 3.).

Seit dem krankheitsbedingten Suizid des Fußball-Nationaltorhüters Robert Enke rückte die Krankheit erstmalig in das breite Interesse der Öffentlichkeit. Durch das tragische Schicksal Robert Enkes erhielt das Störungsbild Depression endlich die Aufmerksamkeit das ihr, aufgrund ihrer Schwere und weiten Verbreitung, dringend zustehen sollte.

Besonderheiten bei der Manisch-depressiven Variante:

Die bipolare (manisch-depressiven) Form der Erkrankung zeichnet sich durch einen häufigen und ständigen Wechsel zwischen depressiven Phasen (wie bei der Major-Depression beschrieben) und einer manischen (aus dem altgriechischen maníā  = „Raserei“, „Wut“, „Wahnsinn“) Phase aus.

Die manischen Phasen wirken sich dabei konträr zur eigentlichen Depression aus. Der Betroffene zeigt in der Manie folgende Symptome:

  • Euphorie (Hochgestimmtheit): er wirkt aufgekratzt Fröhlich und scheint eine unendliche Energie zu haben.
  • Kontrollverlust bis hin zum blinden Aktionismus.
  • Selbstüberschätzung was die eigene Leistungskraft betrifft, bis hin zum Größenwahn.

Häufig kommt es auch zu einer übersteigerten Aggressivität und einer erhöhten Gereiztheit, vor allem wenn man sie in ihrem Bewegungsdrang bremsen will.

Der Übergang zwischen depressiven und manischen Phasen geschieht in der Regel schleichend. Die depressiven Phasen sind dabei idR. Andauernder als die manischen. Manisch-Depressive Erkrankte weisen ein deutlich höheres Suizidrisiko auf als Betroffene einer Major-Depression. Darum ist es für sie umso wichtiger sich in therapeutische Behandlung zu begeben.

Was kann man gegen Depressionen tun?

Depressionen können behandelt werden. Allerdings ist die Situation im Moment die, daß weniger als die Hälfte der erkrankten Personen auch wirklich Hilfe bekommt. Dies ist um so trauriger, weil eine Depression, wenn sie fachgerecht behandelt wird, vollkommen geheilt werden kann.

Vor der Behandlung einer Depression muß eine körperliche Untersuchung durchgeführt werden. Dies hat zwei Gründe: Manche Depressionen haben die gleichen Symptome wie andere Krankheiten. Deswegen muß erst sichergestellt sein, daß keine andere Krankheiten vorliegt. Der zweite Grund ist, daß vor einer Behandlung mit Medikamenten erst die Risiken von Unverträglichkeiten geklärt werden müssen.

Nach einer Diagnose sollte ein Behandlungsplan vom Arzt erstellt werden. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob die Behandlung ambulant oder stationär in einer Klinik durchgeführt werden soll.
In diesem Behandlungsplan muß auch festgelegt sein, ob Sie eine Psychotherapie durchführen und ob Sie Medikamente nehmen sollten. Falls Sie Medikamente einnehmen sollen, klären Sie eventuelle Nebenwirkungen mit anderen Medikamenten ab, die Sie einnehmen.
Bei der Einnahme von Medikamenten müssen Sie geduldig sein, denn sie wirken nicht von heute auf morgen. Viele Antidepressiva benötigen bis zu mehrere Wochen, bis sie vollständig wirken.

(Quelle: Depressionen-Depression.net)

 

Depression und Borderline:

Mit einer Prävalenz von 80-100% gilt die Depression als die am häufigsten auftretende Komorbidität zur Borderline-Persönlichkeitsstörung. Dabei tritt sie idR in der monopolaren Form als rezidivierende depressive Störung auf.

Verschiedene Experten (unter anderem Prof. Dr. Christa Rohde-Dachser) haben jedoch deutliche Unterschiede zwischen der bekannten Major-Depression und der Borderline-Depression ausgemacht. Depressive Episoden haben demnach darüber hinaus vor allem auch die Funktion, den Borderliner vor dem befürchteten Sturz in das Gefühl der Leere zu bewahren. Prof. Dr. Rohde-Dachser hat es in ihrer publizierten Arbeit: Schwermut als Objekt lesenswert zusammengefasst. Sie beschreibt darin für mich verständlich die Struktur und den Inhalt der Borderline-Depression und weist auf die Besonderheiten hin.

 

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Weitere Links zum Thema (ausserhalb von Grenzwandler.org):

Prof. Dr. Rohde-Dachser: Schwermut als Objekt

Deutsche Depressionshilfe

Robert-Enke-Stiftung

 

 

 

Wie entsteht eine Borderline-Persönlichkeitsstörung?

Studien lassen derzeit die Vermutung zu, dass viele Einflussfaktoren auf komplexe Weise miteinander interagieren und so die Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung beeinflussen.

Borderline: Ursachen - Umweltfaktoren, psychosoziale Komponenten
Borderline: Ursachen – Umweltfaktoren, psychosoziale Komponenten

Breite Übereinstimmung besteht bei der Behauptung, dass die wesentlichen Grundsteine schon in der frühsten Kindheit gelegt werden. Man bezeichnet diese Einflüsse häufig als Umweltfaktoren. Dieser Begriff ist sehr weitläufig und kann traumatisierende Ereignisse als auch psychosoziale Komponenten beinhalten.

Verschiedene Forscher ziehen zusätzlich eine erbliche genetische Veranlagung als zusätzliche Ursache in Betracht. Zwillingsstudien lassen vermuten, dass es einen starken Einfluss der Gene gibt. Bislang gibt es jedoch diesbezüglich noch keine gesicherten Ergebnisse.

Borderline: Ursachen - genetische Veranlagung
Borderline: Ursachen – genetische Veranlagung

Als Wahrscheinlich gilt, dass die Neigung zu schwankenden Emotionen, einem instabilen Selbstbild und wechselhaften zwischenmenschlichen Affekten genetisch vererbt wird, was im Zusammenwirken mit ungünstigen Umweltbedingungen zur Ausprägung der Borderline-Persönlichkeitsstörung führen kann.

Auch pränatale Einflussfaktoren rücken immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Die derzeitige Meinung, dass es sich bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung um eine Krankheit handelt die durch die Wechselwirkung verschiedener Einflüsse wie:

Borderline: Ursachen - neurobiologische Faktoren
Borderline: Ursachen – neurobiologische Faktoren

entsteht, gilt immer mehr als wahrscheinlich. Auch hier möchte ich darauf hinweisen, dass für gewöhnlich die psychosozialen Faktoren mit den Umweltfaktoren zusammengefasst werden und die neurobiologischen Faktoren (wie z.B. pränatale Programmierung) bisher noch nicht die große Aufmerksamkeit finden. Zur genetischen Veranlagung gibt es noch keine repräsentativen Ergebnisse.

Die Forschung wird diesbezüglich noch einige neue Erkenntnisse bringen. Da sich Borderline relativ individuell bei den Betroffenen zeigt wird das Krankheitsbild in Zukunft vielleicht sogar weiter aufgeteilt. Derzeit gibt es diesbezüglich jedoch keinerlei mir bekannter Bestrebungen.

 

 

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Borderline: Ursachen – Umweltfaktoren oder psychosoziale Komponenten

Borderline: Ursachen - Umweltfaktoren, psychosoziale Komponenten
Borderline: Ursachen – Umweltfaktoren, psychosoziale Komponenten

Ungünstige Umweltbedingungen im Kindesalter spielen bei der Entstehung von Borderline eine entscheidende Rolle.

Studien belegen das bis zu 80% der Betroffenen frühe Traumatisierung erlebt haben.

An biographisch relevanten psychosozialen Belastungsfaktoren lassen sich sexuelle Gewalterfahrungen (ca. 70%), körperliche Gewalterfahrungen (ca. 60%) und Vernachlässigung (ca. 40%) identifizieren (Quelle: State of Arts 2011/2012, Zanarini 2000).

Neuere Studien mit einem kontrollierten prospektiven Design zeigen, dass wiederholte reale traumatische Beziehungserfahrungen in der Kindheit die Entwicklung von Borderline-Persönlichkeitszügen bis zu einer Persönlichkeitsstörung hervorrufen können.

Dazu zählt:

  • Erfahrungen von physischer und emotionaler Misshandlungen
  • Vernachlässigung
  • häufigem Wechsel von Bezugspersonen
  • Zeuge sein von drastischer Gewalt in der Familie
  • Trennung oder Scheidung der Eltern

Wenn ein Kind von seinen, für die Entwicklung dringend benötigten, Bezugspersonen misshandelt wird, oder der Schutz vor erschütternde Erlebnisse, die sie nicht bewältigen können, ausbleibt, kann dies zu einer kumulativen Traumatisierung führen. Dies gilt auch wenn wiederholt wesentliche Selbst-Objekt-Bedürfnisse des Kindes missachtet werden. Ein Kind ist in seiner Entwicklung auf seine Bezugspersonen angewiesen. Durch den Kontrast von Geborgenheit und erlebter Misshandlung oder Vernachlässigung prägt sich beim Kind auf ewig eine widersprüchliche Denkweise ein. Diese traumatischen Erfahrungen werden verinnerlicht und durch die dissoziative Verarbeitung entstehen strukturelle Entwicklungsdefizite mit dysfunktionalen Anpassungen.

Es ist nicht einmal erforderlich das sie selbst Opfer von Gewalt werden. Es ist vollkommend ausreichend wenn sie den negativen Erfahrungen in ihrer Umwelt ausgesetzt sind. So können sich z.B. ständige Ehekrisen und impulsive Streitszenen innerhalb der Familie, eine frühe Trennung der Eltern oder Suchtverhalten eines Elternteils (z.B. Alkohol oder Drogen) begünstigend für die Ausprägung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung auswirken.Selbiges gilt, wenn das Kind keine Verbindung zu ihren Bezugspersonen aufbauen kann, z.B. durch lange Phasen des Alleinseins.

Häufig werden sich Borderline-Betroffene erst in therapeutischer Behandlung ihrer traumatischen Kindheitserlebnisse bewusst, da sie durch verschiedene Abwehrmechanismen das Geschehene aus ihrem Bewusstsein verbannt haben.

In diesem Punkt gleicht Borderline der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Es gibt sogar Experten die in Borderline eine chronische, oder komplexe PTBS sehen.

Beide Patientengruppen können in der Kindheit missbraucht worden sein oder haben ein anderes Trauma erlitten. Das waghalsige, impulsive verhalten, das typisch ist für Borderline, lässt die Betroffenen anfälliger werden für gefährliche Situationen, die traumatisch enden können.

Die Symptome einer von PTBS betroffenen Person kreisen um ein spezielles Trauma. Typisch für dieses Syndrom ist es, dass Patient die traumatische Situation wieder und wieder durchlebt und periodisch auftretende Alpträume hat.
Die Symptome von Borderlinern sind gewöhnlich unterschiedlicher und weniger stark mit einem bestimmten Trauma verbunden.

 

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Borderline: Ursachen – genetische Veranlagung

Die meisten Experten gehen inzwischen davon aus das genetische Veranlagung bei der Entstehung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung eine entscheidende Rolle spielen kann.

Borderline: Ursachen - genetische Veranlagung
Borderline: Ursachen – genetische Veranlagung

Da der BPS jedoch bisher kein bestimmtes Gen zugeordnet werden kann und dies nach heutigem Stand vermutlich auch nie der Fall sein wird, ist eine gesicherte Zuordnung zwischen genetischen Faktoren und einer späteren Borderline-Störung derzeit nicht gegeben.

Anhand von Zwillingsstudien wurde versucht Rückschlüsse auf eine genetische Veranlagung zu bilden. Die beste derzeit vorliegende Zwillingsstudie (Distel et al 2009) zeigt eine 46% Varianz bei genetischen Faktoren. Allerdings zeigt die Studie lediglich eine Tendenz in Richtung Borderline-Features. Das heißt sie zeigt eine Tendenz eine gestörte Affektregulierungsstörung zu entwickeln. (Quelle: State of the Art 2011/2012)

Die Studie zeigt allerdings auch, dass die Varianz innerhalb der Familie, das sogenannte „Shared Environment“ bei nur 5% liegt. Die Varianz beim „Non-shared Environment“(Schule und Umfeld) ist mit 50% deutlich höher. Das bedeutet der Auslöser eine Affektregulierungsstörung zu entwickeln ist eher darin zu sehen, dass Kinder mit ihren gleichaltrigen Mitmenschen nicht zurecht kommen und deswegen eine Affektregulierungsstörung entwickeln.

Das Problem bei Zwillingsstudien:

Um eine gesicherte genetische Komponente nachweisen zu können ist es erforderlich gezielt Zwillinge zu untersuchen, die nicht bei ihren eigenen Eltern aufwachsen.
Taucht bei getrennten Zwillingen ein Borderline-Syndrom auf, so könnte dies ein Hinweis auf eine genetisch bedingte Veranlagung sein.

Es wird mittlerweile davon ausgegangen das bestimmte Persönlichkeitszüge bereits vor der Geburt entstehen. Besonders hervorzuheben ist dabei das Temperament. Dies muss aber nicht zwangsläufig mit einer genetischen Vererbung zu tun haben.

Gängige Meinung ist derzeit, dass genetische Faktoren das Entstehen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung negativ beeinflussen kann, jedoch nicht zwingend Voraussetzung dafür ist. Es gibt genügend Borderline-Betroffene deren Verwandten 1.Grades weder eine Borderline-Störung, noch Borderline-Strukturen aufweisen. Die 46% der oben genannten Studie weißt also nur auf eine evtl. vorhandene Häufung hin.

 „Die bisherigen Zwillingsstudien waren nicht auf die Identifikation von Gen-UmgebungsInteraktionen ausgerichtet. Die für die Fragestellung besonders sensitiven Adoptionsstudien zur Borderline-Persönlichkeitsstörung fehlen ebenso. In den publizierten Zwillingsstudien wirkt sich das Zusammenspiel von Gen und Umgebung in der Ausprägung der Umgebungskomponente aus – und zwar in der nichtgemeinschaftlichen, personenspezifischen Umgebungskomponente. Zu beachten ist, dass sich in keiner Zwillingsstudie eine Gen-Umgebungs-Interaktion findet, ohne dass daraus ein Fehlen eines Zusammenspiels von Gen – und Umgebungsfaktoren abgeleitet werden könnte.“ (Dulz – Herpertz-Kernberg-Sachsse – Handbuch der Borderline-Störung)

 

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Borderline: Ursachen – Neurobiologische Faktoren

Durch immer besser werdende Untersuchungstechniken lassen sich auch neurobiologische Gesichtspunkte nicht bestreiten. Bei Betroffenen, zeigen sich schon im Kindesalter Zeichen einer „minimal brain dysfunction“, das heißt leichte neurologische Auffälligkeiten, Allgemeinveränderungen im EEG, Verhaltensauffälligkeiten und morphologische Veränderungen im frontalen Kortex. Die verschiedenen empirischen Untersuchungen sind jedoch bisher noch wenig konsistent.

Borderline: Ursachen - neurobiologische Faktoren
Borderline: Ursachen – neurobiologische Faktoren

Der Grund warum eine genaue Untersuchung so schwierig ist besteht darin, dass bei Borderlinern nicht einzelne Regionen Funktionsstörungen aufweisen, sondern neuronale Netzwerke wie z.B. Beispiel der thalamo-amygdalo-kortikale Regelkreis davon betroffen sind. ( Quelle: Fleischhaker, Schulz, Borderline-Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter 2011)Wenn man nach einer evtl. vorhandenen Beteiligung neurobiologischer Faktoren als eine Ursache für die Entstehung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sucht, ist es entscheidend herauszufinden, zu welchem Zeitpunkt der kindlichen Entwicklung die Netzwerke funktionell und strukturell verändert wurden.

Kinder, die während der Schwangerschaft einer übermäßigen Menge an Stresshormonen (Glucocorticoiden) ausgesetzt waren, weisen nachweislich ein erhöhtes Risiko auf, als Erwachsener schwerwiegende Krankheiten zu entwickeln. Es steigt auch das Risiko psychische Störungen zu entwickeln. Diesen Mechanismus bezeichnet man als „pränatale Programmierung“ (Quelle: Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Mainz).

An der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Mainz wird derzeit im Verbund mit  Kooperationspartnern ein Screening auf relevante prä-, peri- und postnatale Einflussfaktoren durchgeführt. Mit dieser Studie soll vorrangig der Fragestellung nachgegangen werden, ob neben der Traumatisierung in der Kindheit auch pränatale Stressoren einen Einfluss auf die Entstehung des Störungsbildes oder dessen Schweregrad haben und ob diese in Zusammenhang mit einer veränderten Cortisolsekretion zu sehen sind.

 

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Uni-medizin Mainz: Prä-, peri- und postnatale Traumatisierung bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung